8. Die Auswirkungen
der Überwindung des Todes








8.1 Der unaufhaltsame Weg der Menschheit
zur Unsterblichkeit




Wir haben also gehört, daß es den Menschen bei weiteren Fort-
schritten in Wissenschaft und Technik früher oder später gelingen
wird, die Unsterblichkeit zu erreichen. In diesem Abschnitt soll
untersucht werden, ob der Sieg über den Tod durch politische Wi-
derstände oder durch Gegner des technischen Fortschritts verhin-
dert werden kann und ob ein vorheriger Untergang der Mensch-
heit zu befürchten ist.

Politiker, die die Suche nach der Unsterblichkeit ablehnen, kön-
nen sie nur bremsen, aber nicht endgültig aufhalten. Dazu müßten
sie nämlich die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften insge-
samt verbieten, da auch Forschungen mit anderen Zielen für die
Überwindung des Todes nützlich sind. Z.B. wurden Computer
und Techniken zur Genmanipulation nicht entwickelt, um den
Menschen die Unsterblichkeit zu bringen. Trotzdem könnte ihre
ständige Verbesserung das in der fernen Zukunft ermöglichen.

Auch wenn in einem Land jeder wissenschaftliche Fortschritt ver-
hindert werden sollte, würde er in anderen weitergehen. Nur wenn
die gesamte Menschheit unter dic Kontrolle von Fanatikern gerie-
te, die jede wissenschaftliche Forschung verbieten würden, wäre
ihr Weg zur Unsterblichkeit gestoppt. Das ist jedoch äußerst un-
wahrscheinlich, weil es für solche Gruppen sehr schwierig wäre, in
allen einflußreichen Staaten genügend Anhänger zu finden, um
die Macht an sich zu reißen. Schließlich ist es auch in der bisheri-
gen Geschichte keiner totalitären Ideologie und keiner intoleran-
ten Religion gelungen, alle Völker für sich zu gewinnen.

Somit werden politische Widerstände oder Gegner des technischen
Fortschritts den Weg der Menschheit zur Unsterblichkeit langfri-


                                                         119


stig nicht aufhalten können. Wahrscheinlich werden ihn auch
nicht alle Regierungen ablehnen. Nach einer Verbreitung des Ge-
dankens von der Zeitreise ist sogar zu erwarten, daß etliche Politi-
ker dafür nützliche Forschungen fördern werden, weil ihre Völker
es so wünschen und sie selbst ebenfalls eine spätere Wiedererwek-
kung anstreben. Schließlich fürchten auch die Mächtigen dieser
Welt den Tod.

Mit einer Beendigung der Suche nach der Unsterblichkeit durch
den Untergang der Menschheit ist ebenfalls nicht zu rechnen
Ein möglicher Grund dafür wäre eine die gesamte Erdoberfläche
verwüstende Naturkatastrophe. Das ist nicht zu befürchten, weil
es seit 4 Milliarden Jahren keine alles Leben vernichtende Kata-
strophe gegeben hat. Das zeigt die an Fossilien verfolgbare unun-
terbrochene Entwicklung. Sollte es dennoch dazu kommen, hätte
der Mensch mit seinen technischen Fähigkeiten gute Aussichten zu
überleben. Er wird nicht das Schicksal der Saurier teilen, die vor
vielen Millionen Jahren vermutlich aufgrund einer Klimaverände
rung nach einem Meteoriteneinschlag ausstarben, weil ihr viel zu
kleines Gehirn nicht imstande war, sich den neuen Bedingungen
anzupassen.

Theoretisch denkbar ist allerdings die Selbstvernichtung der Zivili-
sation durch einen Atomkrieg oder totale Umweltvergiftung. Ge-
genwärtig befürchten sehr viele, daß solche Ereignisse eintreten
werden. Dieser Pessimismus wird begründet mit der zunehmenden
Aufrüstung der Staaten und der wachsenden Schadstoffbelastung,
der Luft, des ßodens und der Gewässer. Tatsächlich deuten die
vielen Kriege, Bürgerkriege und Umweltkatastrophen in unserer
Jahrhundert darauf hin, daß für etliche Politiker, Militärs und
Wirtschaftsführer Macht und Profit wichtiger sind als das Wohl
der Menschen. Außerdem treffen nicht wenige Machthaber häufig
irrationale Entscheidungen, weil sie sich von einem religiösen oder
weltanschaulichen Fanatismus leiten lassen.

Die Herrschenden der Supermächte müßten jedoch wahnsinnig
sein, wenn sie einen globalen nuklearen Schlagabtausch begön-
nen, weil sie damit auch ihr eigenes Land vernichten würden. Soll-
ten der amerikanische Präsident oder der sowjetische Generalse-
kretär so kurzsichtig sein, diese Folgen nicht mehr zu übersehen,
würden ihre Militär- und Verwaltungsapparate sie absetzen. Sie
haben keinen Grund, die Befehle eines Machthabers zu befolgen
der nicht zurechnungsfähig ist. Zwar ist die Auslösung eines


120


                                                       2Q


Atomwaffenangriffs durch einen unglücklichen Zufall denkbar.
Die Supermächte haben aber im eigenen Interesse umfassende Si-
cherheitsvorkehrungen getroffen, um einen Krieg infolge einer
technischen Panne oder einer Fehlentscheidung eines Generals
oder eines Politikers zu vermeiden. Deshalb ist eine Selbstvernich-
tung der Menschheit durch einen Atomkrieg nicht zu befürchten.
Es ist auch nicht zu erwarten, daß sie sich durch eine Vergiftung
der Umwelt auslöschen wird. Eine für alle Menschen auf der Erde
tödliche Verseuchung des Lebensraumes durch Schadstoffe, die
von der Industrie erzeugt werden, kann nämlich nicht über Nacht
entstehen. So bleibt genügend Zeit für Gegenmaßnahmen. Diese
würden nur unterlassen, wenn allen dafür Verantwortlichen sogar
das Schicksal ihrer eigenen Kinder gleichgültig wäre.

Ein globaler Atomkrieg oder eine weltweit tödliche Umweltkata-
strophe werden noch unwahrscheinlicher, wenn die Herrschenden
begreifen, daß auch für sie und ihre Familien Hoffnung auf Un-
sterblichkeit besteht, falls sie ihre Gehirne bei extrem tiefen Tem-
peraturen konservieren lassen. Dann haben sie nämlich mehr
Grund als bisher, für die Zukunft zu planen. Folglich ist es zwar
richtig, vor den Gefahren des Wettrüstens und der Umweltver-
schmutzung zu warnen. Es ist jedoch falsch, deshalb einen unab-
wendbaren Untergang der Menschheit zu prophezeien. Gerade ein
solcher hoffnungsloser Fatalismus würde das rücksichtslose
Streben nach kurzfristigen politischen und wirtschaftlichen Vor-
teilen fördern und so zu Kriegen und weiterer Umweltzerstörung
führen.




8.2 Die Gefahren bei der Entwicklung
von Techniken zur Erreichung
der Unsterblichkeit




Die Entwicklung von Techniken zur Erreichung der Unsterblich-
keit wird die Menschen von ihrem ärgsten Feind, dem Tod, be-
freien und ihnen den größten Traum ihrer Geschichte, den Traum
vom unbegrenzten Leben erfüllen. Wie bei allen neuen Technolo-
gien gibt es allerdings auch bei den Methoden zur Übervindung
des Todes Gefahren. So könnten ßetrüger die schon heute gegebe-


                                                         121


ne Möglichkeit zur Zeitreise itn Tiefkühlschlaf nutzen, um hohe
Geldbeträge zu ergaunern, ohne dafür die Gehirne ihrer Opfer
nach deren Tod in der vereinbarten Weise zu konservieren. Dage-
gen bieten jedoch ein genaues Aushandeln der Verträge und der
Zahlungsmodalitäten und eine Überprüfung der Betreiber der
Tiefkühlanlagen einen gewissen Schutz.

Wenn später Verfahren zur Aufzeichnung und Übertragung der
Gehirninformation entwickelt sind, könnte es z.B. bei Fehlern der
Bürokratie passieren, daß Kopien derselben Seeleninformation
gleichzeitig in zwei verschiedene identisch aussehende Körper
übertragen werden. Dadurch würde ein Mensch verdoppelt. Die
Folge wären unter Umständen schwere Konflikte und Rivalitäten,
weil die Doppelgänger zunächst genau die gleichen Bekanntschaf-
ten, Ziele und Wünsche haben. Um ständigen Streit zu vermeiden,
wird einer der beiden wahrscheinlich an einen anderen Ort oder in
ein anderes Land ziehen müssen. Vielleicht erhält er dann eine
finanzielle Entschädigung. Auf jeden Fall bliebe ihm der Trost,
daß sich in einem unbegrenzten Leben für ihn anders als in unse-
rem jetzigen kurzen Dasein unzählbare neue Chancen auftun wer-
den. Mit den hochentwickelten Kommunikationstechniken der
Zukunft werden die Behörden aber in der Lage sein, solche Pan-
nen im allgemeinen zu vermeiden.

Andererseits könnten manche versuchen, sich möglichst oft zu
vervielfältigen, z.B. um ihre eigene Weltanschauung zu verbrei-
ten. Konflikte zwischen den neu entstandenen identischen Men-
schen sind dann nicht zu erwarten, weil sie alle ein gemeinsames
Ziel verwirklichen wbllen. Sie gehen zwar jeder in seinem Körper
verschiedene Wege, bleiben aber durch ihre exakt gleiche Vergan-
genheit und durch ihre deshalb sehr ähnlichen Persönlichkeiten,
Ansichtcn und Vorstellungen eng verbunden. So wird es vicleicht
notwendig sein, die gleichzeitige Übertragung derselben Gehirnin-
formation in mehrere Körper durch Verbote und wirksame Kon-
trollmaßnahmen zu verhindern oder zumindest stark einzuschrän-
ken, um ein explosionsartiges Bevölkerungswachstum zu vermei-
den.

Nach der Entwicklung von Techniken zur Aufzeichnung und zur
Übertragung der Gehirninformatiön besteht auch die Gefahr, daß
diese in bösartiger Absicht von Fremden gelesen wird. Das ver-
setzt autoritäre Regimes in die Lage, Menschen schon für ihre nie-
mals geäußerten Ansichten zu bestrafen. Durch Veränderung der


122


Gehirninformation lassen sich mit den dann sehr großen Kennt-
nissen über das Gehirn die Gedanken der Menschen in jeder Weise
manipulieren. So können z.B. Diktatoren ihre Untertanen in treu
ergebene Massenwesen verwandeln.

Allerdings bestehen gute Aussichten, daß die Regierungen in der
Zukunft Leben und Freiheit des einzelnen sehr hoch achten und
somit die Techniken zur Seelenaufzeichnung und -überrragung
nicht mißbrauchen werden, wie in den folgenden Abschnitten be-
gründet wird. Außerdem gibt es gegen fremde Eingriffe auch
Schutzmöglichkeiten. Da eine Veränderung der Gehirninforma-
tion die Identitä.t des Individuums gefährdet, werden die Men-
schen alle Mittel einsetzen, um das zu verhindern. Sie werden die
Geräte für die Seelenaufzeichnung und -übertragung so konstruie-
ren, daß Manipulationen sehr schwierig sind, so wie heute Com-
puter und andere technische Anlagen durch verschiedene, aller-
dings häufig unterlassene Maßnahmen gegen unberechtigten Zu-
griff gesichert werden können. Diejenigen, die dennoch eine Um-
formung der Gehirninformation anderer versuchen, werden
streng bestraft werden. Aus diesen Gründen ist die Hoffnung be-
rechtigt, daß derartige Eingriffe nur sehr selten vorkommen wer-
den.

Sollte es dennoch einmal passieren, kann das ursprüngliche Indivi-
duum wieder auferstehen, solange nur eine der vielen Kopien sei-
ner Seeleninformation unverändert erhalten bleibt. Wenn diese in
einen neuen Körper übertragen wird; lebt es weiter. Ebenso wie
eine Veränderung werden die Menschen ein ungewolltes Lesen ih-
rer Gehirninformation durch andere zu verhindern suchen, weil
niemand gern Fremden seine innersten Gedanken und Gefühle of-
fenbart.

Im übrigen entsteht die Gefahr einer Kontrolle und einer Manipu-
lation von Gedanken nicht erst durch neue Techniken. Sie ist
schon heute Realität. Dafür seien hier nur zwei Beispiele ange-
führt. In vielen Staaten werden Menschen gefoltert oder einer Ge-
hirnwäsche unterzogen, um von ihnen Informationen zu erpres-
sen, sie zu einer anderen Weltanschauung zu bekehren oder ihre
Persönlichkeit zu zerstören. Dadurch gelingt es, die Opfer einem
fremden Willen zu unterwerfen. Z.B. erfuhr die Weltöffentlich-
keit Ende der dreißiger Jahre, daß bei Schauprozessen in Moskau
Dutzende sowjetischer Spitzenfunktionäre, den sicheren Tod vor
Augen, Geständnisse abgelegt hatten, in denen sie sich des Verrats


                                                         123


und der Sabotage schuldig bekannten. Einige der mitgeteilten Ein-
zelheiten wurden im Westen klar als erfunden entlarvt (1). Hier wur-
de also erreicht, daß intelligente und selbstbewußte Männer durch
Lügengeschichten ihr eigenes Todesurteil rechtfertigten.

In etlichen Armeen werden militärischer Drill und Gruppendruck
angewandt, um die Soldaten dazu zu bringen, die Kommandos ih-
rer Vorgesetzten gehorsam zu befolgen und im Ernstfall für ihren
Staat in den Tod zu gehen. Wie die vielen Kriege in Geschichte und
Gegenwart zeigen, gelingt das oft mit gutem Erfolg. Auch das ist
ein Beispiel für eine Manipulation des Denkens, weil die jungen
Männer im allgemeinen ursprünglich etwas anderes gewollt ha-
ben, als für ihren Staat zu sterben. Trotzdem setzen sie sich
schließlich den Gefahren des Schlachtfeldes aus. Sie tun es freiwil-
lig, denn einige Tausend Offiziere haben nicht die Mittel, Hun-
derttausende von bewaffneten Soldaten dazu zu zwingen. Nur we-
nige begreifen aber trotz der Propaganda und des militärischen
Drills noch, daß der Krieg in erster Linie den Herrschenden Vor-
teile bringt und für sie oft nur Verkrüppelung, Gefangenschaft
oder Tod bedeutet. Sie haben keine Chance, sich zu wehren, weil
sie im Fall einer Meuterei allein ständen.

Schon diese Beispiele zeigen, daß sich eine humanere Gesellschaft
nicht durch den Verzicht auf weitere wissenschaftliche Fortschrit-
te und auf die Entwicklung von Techniken zur Erreichung der Un-
sterblichkeit erschaffen läßt. Auch ohne sie gibt es nämlich grau-
same Folterungen und blutige Kriege. Vielmehr müssen die politi-
schen Verhältnisse verändert werden, wenn die Unmenschlichkeit
überwunden werden soll. Gerade die Suche nach Wegen zur Un-
sterblichkeit fördert die Entstehung einer besseren Gesellschaft.


8.3 Der neue Humanismus




Bisher wurden Ideale wie Nation, Rasse, Religion oder Weltan-
schauung höher bewertet als das Leben und das Wohl der einzel-
nen Menschen. Noch heute verlangen die Herrschenden in vielen
Ländern, daß die Bürger bereit sind, in einem Krieg dafür zu ster-
ben.

Wenn die Leute begreifen, daß ihnen die Zeitreise im Tiefkühl-
schlaf eine spätere Wiedererweckung und die Unsterblichkeit ver-
heißt, werden sie den einzigartigen Wert ihres Lebens deutlicher


124


erkennen. Dadurch wird zwar keine Gesellschaft der Übervorsich-
tigen entstehen, da es immer Personen geben wird, die alles riskie-
ren wollen. Aber die Bürger werden weniger bereit sein, sich für
politische Heilslehren aufzuopfern, weil sie mehr zu verlieren ha-
ben als einige Jahrzehnte, die sie heute wegen der Einengungen
durch lange Arbeitszeit, Armut, Krankheiten und das Altern oft
gar nicht richtig genießen können. In der Zukunft erwartet sie
wahrscheinlich nicht nur ein unbegrenztes, sondern auch ein sehr
schönes Leben mit viel weniger Einschränkungen und unzählba-
ren neuen Möglichkeiten.

Somit werden die Verbreitung des Wissens von dem Weg zur Un-
sterblichkeit und der nachfolgende Aufbau von Einrichtungen zur
Iryokonservierung von Gehirnen dazu führen, daß die Erhaltung
menschlichen Lebens höher bewertet wird als die Stärkung der
Nation oder die Durchsetzung von Ideologien. Das bedeutet den
Beginn einer neuen Ära, die als Zeitalter des wahren Humanismus
bezeichnet werden kann, da sie das Leben und das Wohl der Men-
schen in den Mittelpunkt gesellschaftlichen Handelns stellt. Man
kann hoffen, daß sich diese Gedanken in allen mächtigen Staaten
durchsetzen werden, weil fast alle Menschen den Tod fürchten
und ihnen eine Zeitreise wissenschaftlich begründete gute Aus-
sichten bietet, ein unbegrenztes Leben zu erreichen. Dann wird es
keine Kriege mehr geben. Die Leute werden sich verstärkt um den
Schutz der Umwelt bemühen, da sie die Hoffnung haben, die Zu-
kunft selbst zu erleben. Auch stark religiös geprägte Länder wer-
den sich diesen Ideen wahrscheinlich nicht für immer verschlie-
ßen, da der Gedanke von der Zeitreise und die Religionen nicht
zueinander im Widerspruch stehen müssen, wie in Abschnitt 8.7
erläutert wird.

Die Zeitreise im Tiefkühlschlaf erfordert ein Planen für viele
Jahrhunderte. Da in so langen Zeiträumen auch heute reiche Län-
der durch Naturkatastrophen, Versiegen von Rohstoffquellen
oder wirtschaftliche Fehlplanung in ausweglose Armut geraten
können, ist der Aufbau eines internationalen Systems zur gegen-
seitigen Unterstützung zu erwarten, das allen Staaten eine vollwer-
tige Ernährung und gute medizinische Versorgung ihrer Bürger
und die zur Kryokonservierung der Gehirne erforderlichen Maß-
nahmen ermöglicht. Dann werden nicht mehr wie in der Gegen-
wart Millionen an Hunger oder unzureichend behandelten Krank-
heiten sterben.




                                                        125


Im Laufe der Zeit werden die Staaten voraussichtlich das interna-
tionale Hilfssystem weiter verbessern, so daß schließlich für alle
Menschen angenehme Lebensbedingungen geschaffen werden,
denn eine solche gerechte Weltgesellschaft ohne zu große Unter-
schiede zwischen arm und reich fördert den Frieden. Wenn die
Bürger der wohlhabenden Länder sehen, daß alle Völker ohne
Streit zusammen leben können, werden sie wahrscheinlich weitaus
mehr als heute bereit sein, den Bedürftigen zu helfen. Schließlich
bedroht ein Krieg ihr Leben, ohne das auch der größte Reichtum
nichts nützt. Außerdem sind sie in einer friedlichen und gerechten
Weltgesellschaft von den Ausgaben für die militärische Abschrek-
kung befreit, für die gegenwärtig in vielen Staaten hohe Steuern
gezahlt werden müssen.

Zwar ist schon jetzt vielen bewußt, daß der Hunger der Armen
und der gleichzeitige verschwenderische Luxus der Reichen, die
Kriege, die Umweltvergiftung und die Gefahr einer Selbstauslö-
schung der Menschheit durch die Atomwaffen nicht länger hinge-
nommen werden dürfen. Voraussetzung für eine Änderung dieser
Zustände ist aber ein gemeinsames Handeln aller Völker und ein
Planen für lange Zeiträume. In der gegenwärtigen Situation ge-
nügt eine einzige aggressive Großmacht, die ihr Volk zum Haß auf
andere Nationen aufstachelt, um einen Krieg zu entfesseln. Die
zunehmende Verschmutzung der Umwelt bedroht die kommenden
Generationen mehr als uns. So scheitert eine Verbesserung der
Verhältnisse an der gegenwärtigen Spaltung der Menschheit in Na-
tionen, Klasseri und Religionsgemeinschaften und an der auf kurz-
fristige Vorteile gerichteten Denkweise vieler Politiker, die zum
Erfolg vor der nächsten Wahlperiode oder spätestens vor dem
Ende ihres Lebens verdammt sind.

Wenn überall auf der Welt Einrichtungen zur Kryokonservierung
von Gehirnen aufgebaut werden, werden die Menschen die lang-
fristigen Auswirkunben ihrer Handlungen stärker berücksichti-
gen, weil sie die Hoffnung haben, die Zukunft selbst zu erleben.
Dann wird die Erhaltung menschlichen Lebens zum wichtigsten
Ziel für Angehörige aller Völker, da dessen unschätzbarer Wert
den einzelnen durc·h die Aussicht auf die Unsterblichkeit mehr be-
wußt wird. Dieses gemeinsame Interesse könnte die Menschheit
einen. Das ist unmöglich, solange das Streben nach materiellem
Wohlstand oder die Anbetung politischer Heilslehren im Vorder-
grund stehen. Reichtum läßt sich nämlich am schnellsten auf Ko-


126                                                                                                          5  f


sten der Mitmenschen erlangen. Ideologien müssen im Kampf ge-
gen Andersdenkende durchgesetzt werden.




8.4 Das Ende der Unfreiheit




Gegenwärtig ist die Freiheit der Menschen in vielfältiger Weise
eingeschränkt. In etlichen Ländern riskieren diejenigen schwere
Strafen, die von der jeweiligen Staatsideologie abweichende An-
sichten vertreten. Viele Menschen werden wegen ihrer Zugehörig-
keit zu einer bestimmten nationalen, rassischen oder religiösen
Gruppe verfolgt. In keinem Land können sich Minderheiten frei
entfalten, die sich in ihrem Verhalten den Normen der Mehrheit
nicht anpassen wollen. Sie bekommen z.B. Schwierigkeiten, nur
weil sie kleinbürgerliche Konventionen nicht beachten, obwohl sie
damit niemandem Schaden zufügen. Außerdem bedeutet die in
vielen Staaten praktizierte allgemeine Wehrpflicht für die Betrof-
fenen eine starke Einschränkung der Freiheit. Sie müssen dann ein
Jahr oder länger den ganzen Tag die nicht immer sinnvollen An-
weisungen ihrer Vorgesetzteh selbst in den kleinsten Dingen exakt
befolgen.

In der Ära des neuen Humanismus, die mit dem Aufbau von Ein-
richtungen zur Kryokonservierung des Gehirns für alle beginnt,
werden die Menschen wesentlich mehr Freiheiten genießen. Da
politische Heilslehren dann an Bedeutung verlieren, wird die Ver-
folgung Andersdenkender aufhören. Selbstverständlich wird man
diejenigen, die die Zeitreise aus religiösen oder weltanschaulichen
Motiven ablehnen, nicht dazu zwingen, weil das nur unnötige
Konflikte heraufbeschwören würde. Wenn ein Staat Einrichtun-
gen zur Zeitreise im Tiefkühlschlaf für alle aufbaut, achtet er das
Individuum, um dessen Existenz es ja geht, und damit auch sein
Streben nach Glück und Selbstverwirklichung sehr hoch. Dazu
wird er dem einzelnen möglichst viel Freiraum bieten. So wird
man in der Ära des neuen Humanismus die Gesetze wohl nach
dem Grundsatz formulieren: Jeder darf alles tun, was er will, so-
lange er das Leben, die Gesundheit, den Tiefkühlschlaf oder son-
stige Rechte anderer nicht gefährdet. Dann werden sich Minder-
heiten jeder Art frei entfalten können. In der gerechten und fried-
lichen Gesellschaft im Zeitalter des neuen Humanismus wird es


                                                        127


auch keine materielle Benachteiligung von bestimmten Gruppen,
keine Kriege und keine Wehrpflicht mehr geben.

In der Zukunft werden die Menschen auch nicht mehr einen gro-
ßen Teil ihrer Zeit mit stumpfsinnigen Arbeiten zubringen müs-
sen, weil solche Tätigkeiten von Robotern automatisch ausgeführt
werden können. Diese Automation hat schon begonnen. Gegen-
wärtig bringt sie aber vielen Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche
Not. Schuld daran sind nicht die technischen Fortschritte, sondern
die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen einige Gruppen auf
Kosten anderer ein Maximum an materiellem Wohlstand anstre-
ben. Die Automation führt nämlich nur dazu, daß die gleiche
Menge an Gütern mit weniger Arbeitseinsatz hergestellt wird.
Folglich bräuchte niemand arbeitslos zu werden oder auf etwas zu
verzichten, wenn die Arbeitszeit für alle verkürzt würde. Dazu
müssen diej enigen, deren bisherige Tätigkeiten von Computern
oder Robotern übernommen werden, neue Aufgaben und vorher
Gelegenheit zu einer entsprechenden Ausbildung erhalten. Eine
gerechte Gesellschaft, wie sie im Zeitalter des neuen Humanismus
entsteht, wird das ermöglichen. In Zukunft werden verbesserte
Computer und Roboter immer kompliziertere Aufgaben überneh-
men können. Das wird dazu führen, daß alle Menschen immer
mehr Zeit für kreatives und nur ihrer eigenen Selbstverwirk-
lichung dienendes Tun haben.

Kritiker der technischen Entwicklung behaupten allerdings, daß
Maschinen uns entmenschlichten. Sie meinen, die negativen Fol-
gen der Automatisierung und der Anwendung von Computern
würden ihren Nutzen überwiegen. Radikale Gegner des Fort-
schritts raten sogar dazu, sämtliche Maschinen zu vernichten.
Man sollte sich überlegen, wohin das führen würde. In der gesam-
ten bisherigen Geschichte hatten nur kleine Oberschichten oder
Aristokratien Gelegenheit zum Müßiggang und zur Selbstverwirk-
lichung. Sie lebten auf dem Rücken von Sklaven, Leibeigenen, Ar-
beitern oder Angestellten, die für sie alle Arbeiten tun mußten und
häufig zu Maschinen aus Fleisch und Blut degradiert wurden.
Wenn man nun den Plan der Radikalen verwirklichen wollte,
müßte man zu den Zuständen des Mittelalters zurückkehren.
Wenn man hingegen die Computer und Roboter weiterentwickelt,
könnte die Zukunft eine Weltaristokratie bringen, die von den ein-
zigen in einer humanen Welt vorstellbaren Sklaven getragen wird,
nämlich von hochentwickelten Automaten. Maschinen werden


128


dann die Arbeiten erledigen, die das Leben möglich machen, wäh-
rend die Menschen sich um all die anderen Dinge kümmern, die
das Leben angenehm und lebenswert gestalten. In dieser neuen
Zeit werden die Menschn aus einer Vielzahl von Genüssen und
Aktivitäten das auswählen können, was sie am liebsten mögen.
Jeder wird tun können, was er will.




8.5 Das Kennenlernen der neuen
Welt durch die Zeitreisenden







Die Zeitreisenden erwartet nach ihrer Wiedererweckung eine ganz
neue Welt, weil die Weiterentwicklung von Wissenschaft und
Technik alle Lebensbereiche erheblich verändern wird. Trotzdem
ist ihre Situation nicht vergleichbar mit der der Mitglieder von Na-
turvölkern, die in den vergangenen Jahrhunderten plötzlich mit
der Zivilisation konfrontiert wurden. Sie waren nämlich im Ge-
gensatz zu den Zeitreisenden innerlich nicht darauf vorbereitet, in
einer höher entwickelten Kultur weiterzuleben. Sie hatten ge-
glaubt, ihr Leben würde immer so bleiben, wie sie es kannten,
während die heutigen Menschen und insbesondere die an einer
Zeitreise interessierten wissen, daß man ständig etwas Neues ler-
nen muß, wenn man die Vorteile neuer Erfindungen für sich nut-
zen will. Außerdem hat den Angehörigen der Naturvölker häufig
niemand in einer für sie verständlichen Form das Notwendige er-
klärt.

Hingegen ist zu erwarten, daß die neue Gesellschaft den Zeitrei-
senden bei der ersten Orientierung helfen wird. Schließlich erwa-
chen nach der Entwicklung der erforderlichen Techniken sehr vie-
le Menschen aus der Vergangenheit. Deshalb ist anzunehmen, daß
für sie Schulen eingerichtet werden. Außerdem wird man ihnen
wohl Computer zur Verfügung stellen, die ihnen Schritt für Schritt
alles Erforderliche in ihrer Muttersprache erklären. Schon heute
gibt es Computer, die sich hervorragend zur Vermittlung neLier
Wissensinhalte eignen. Weiterentwickelte Computer werden diese
Aufgabe fast ebenso gut erfüllen wie ein Privatlehrer. Mit solchen
Hilfen werden die Zeitreisenden rasch die neue Kultur und deren
Spr ache verstehen. Das wird für sie vielleicht ebenso interessant


129


sein wie die Entdeckungsreise des Kolumbus nach Amerika oder
die Marco Polos nach China.




8.6 Die neuen Möglichkeiten der Menschen




Nach der Entwicklung von Verfahren zur Seelenaufzeichnung
und -übertragung werden die Menschen ruhiger und ausgegliche-
ner sein, weil ihnen die Angst vor Tod, Alter und schwerer Krank-
heit genommen ist und sie beliebig viel Zeit zur Verwirklichung ih-
rer Pläne haben. Dann werden sich auch die zwischenmenschli-
chen Beziehungen verbessern, denn ausgeglichene Menschen fin-
den leichter ein gutes Verhältnis zu anderen. Konflikte werden sel-
tener zu schweren Auseinandersetzungen führen, weil man erheb-
lich gelassener sein wird. Außerdem wird der einzelne zu höheren
schöpferischen Leistungen fähig sein, weil er bei jugendlicher
Vitalität zu den Einsichten des Alters gelangen kann.

Darüber hinaus eröffnen die Verfahren zur Aufzeichnung der See-
leninformation und zu ihrer Übertragung in einen neu erschaffe-
nen Körper den Menschen ganz phantastische Möglichkeiten. So
können sie im Laufe ihres unbegrenzten Lebens in verschiedenen
Körpern existieren, die in allen Merkmalen ihren jeweiligen Wün-
schen entsprechen. Dabei ist auch das Ausprobieren völlig neuer
Fähigkeiten denkbar, z.B. des dauernden Lebens unter Wasser
oder auf fremden Planeten mit anderer Atmosphäre und Schwer-
kraft. Diese Möglichkeiten werden zwar nicht jeden interessieren.
Nach einer genauen Erforschung sämtlicher Lebensvorgänge wird
aber bei der Erschaffung eines neuen Körpers wahrscheinlich fast
alles verwirklicht werden können, was gewünscht wird und nicht
den Gesetzen der Physik, Chemie und Biologie widerspricht. Des-
halb sind der Phantasie praktisch keine Grenzen gesetzt, so daß es
für jeden etwas geben dürfte, was er gern in einem neuen Körper
ausprobieren würde. Wie im 10. Kapitel erläutert wird, werden in
späteren Jahrhunderten auch Techniken zur Vergrößerung der
geistigen Leistungsfähigkeit zur Verfügung stehen, die wahr-
scheinlich weit höhere Bewußtseinsstufen gestatten werden, als
wir mit unserem gegenwärtigen Verstand ahnen. Somit werden in
der fernen Zukunft neue Erfahrungen möglich sein, die von ganz
anderer Qualität als die heute erlebbaren sind.


130


Deren unvorstellbare Vielfalt und unzählbare neue Entdeckungen
im Makrokosmos des Weltalls und im Mikrokosmos der Moleküle
und Atome werden verhindern, daß das unbegrenzte Leben jemals
eintönig wird. Jeder wird die Zeit und die Mittel haben, alle denk-
baren Freuden zu genießen, sich als Philosoph und Künstler zu be-
tätigen und an der Erforschung des Universums und der Naturge-
setze teilzunehmen. Wenn man den Sinn des Lebens darin sieht,
sich selbst und die Menschheit immer weiter zu entwickeln, äann
bietet ein unbegrenztes Leben dafür bei weitem mehr Möglichkei-
ten als unser gegenwärtiges kurzes Dasein.










           
8.7 Die Überwindung des Todes
und die Religionen




Steht nun der Versuch, den Tod mit wissenschaftlich-technischen
Mitteln zu überwinden, im Widerspruch zu den Religionen? Die
Beantwortung dieser Frage hängt ab von der Auslegung der dem
jeweiligen Glauben zugrundeliegenden Lehre. Es gibt etwa Chri-
sten, die den Sinn des Lebens nur in einer Vorbereitung auf das
Jenseits sehen und sogar eine Blinddarmoperation zur Rettung ih-
res Lebens ablehnen. Andererseits hat Gott nach Auffassung der
Religionen die Welt und uns geschaffen. Wenn er gewollt hätte,
daß wir unnötigerweise den Tod hinnehmen, hätte er uns wohl kei-
nen so starken Lebenswillen gegeben. So lehnen die Führer der
meisten christlichen, islamischen, jüdischen und sonstigen Reli-
gionsgemeinschaften medizinische Maßnahmen zur Lebensverlän-
gerung nicht ab. Auch bei der Behandlung von schweren Krank-
heiten wird versucht, den Tod zu überwinden, der ohne einen ärzt-
lichen Eingriff eintreten würde. Somit ist dieses Ziel nicht neu.
Das gilt nur für die in diesem Buch vorgeschlagenen Mittel und
das Ausmaß der angestrebten Lebensverlängerung.

Bedeutet nicht die Wiedererweckung eines Verstorbenen, dessen
Gehirn eingefroren wurdc, eine Gotteslästerung? Diese Frage ha-
ben die Glaubensgemeinschaften im Prinzip schon beantwortet.
Es wurden nämlich schon Hunderte von Menschen vom Tode wie-
dererweckt, ohne daß von religiöser Seite Einwände erhoben wur-
den. Bei ihnen führten Ertrinken oder ein Versagen des Herzens


                                                         13I


zum klinischen Tod. Sie wurden wieder zum Leben erweckt durch
Herzmassage, künstliche Atmung und andere Methoden der mo-
dernen Medizin. In diesen Fällen haben die Religionsgemeinschaf-
ten stillschweigend anerkannt, daß selbst bei Anwendung außeror-
dentlicher Maßnahmen eine Wiederbelebung lediglich ein Mittel
der Lebensverlängerung ist und der vermeintliche Tod kein echter
war.(1)

Die entscheidenden Unterschiede zur Wiedererweckung eines Ver-
storbenen, der sein Gehirn einfrieren ließ, liegen in der bei weitem
größeren Zeitspanne und in der Tatsache, daß er einen neuen Kör-
per erhält. Die Jahrhunderte des Tiefkühlschlafs sind aber ebenso
wie die wenigen Minuten eines mit heutigen Mitteln reversiblen
klinischen Todes nur ein unendlich kleiner Teil von Gottes Ewig-
keit. Das größere Zeitintervall dürfte für ihn also nicht entschei-
dend sein. Auch Organtransplantationen werden von den meisten
Religionsgemeinschaften nicht abgelehnt. Die Übertragung der
Gehirninformation in einen neu erschaffenen Körper bedeutet
eine Wiederherstellung sämtlicher Organe und Gewebe und ist so-
mit nur eine weiterentwickelte Organtransplantation.

Muß ein religiöser Mensch die Aufzeichnung und die Übertragung
der Gehirninformation und die Zeitreise nicht schon deshalb ab-
lehnen, weil in diesem Buch davon ausgegangen wurde, daß die
Seele eine Organfunktion des Gehirns ist? Diese Annahme läßt
sich jedoch auch so verstehen, daß es irgendeine Ver'indung zwi-
schen der Seele und dem Gehirn gibt. Beispielsweise könnte eine
immaterielle Seele das Gehirn für ihren Kontakt zur physikali-
schen Welt benutzen. Die Erschaffung eines neuen Gehirns in ei-
nem neuen Körper bedeutet demnach nur die Herstellung einer
neuen Verbindung zur materiellen Welt.

In verschiedenen asiatischen Religionen finden sich Gedanken, die
der Idee von der Seelenaufzeichnung und -übertragung in gewisser
Weise ähnlich sind. So glauben Hinduisten und Buddhisten an
eine Seelenwanderung oder Reinkarnation. Dabei bewohnt eine
Seele eine Folge von Körpern. Nicht anders wäre es nach der Ent-
wicklung von Techniken zur Scelenaufzcichnung und -übert.ra-
gung. Nur hätten die Menschen dann den Vorteil, sich bewußt an
ihre früheren Leben erinnern und sich ihren neuen Körper nach
ihren Wünschen aussuchen zu können.

Ist das Streben nach einem unbegrenzten Leben nicht vermessen?
Muß ein religiöser Mensch das nicht als einen Versuch ansehen,


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Gott gleich zu werden? Dafür gibt es keinen Grund. Nach Auffas-
sung des Christentums, des Islams und anderer Religionen schuf
Gott nämlich nicht nur uns und die Erde, sondern auch das ge-
samte Universum. Alles, was wir mit den Technologien der Zu-
kunft tun werden, ist somit verschwindend klein gegenüber dem,
was Gott getan hat.

Deshalb brauchen die Kirchenführer nicht zu befürchten, daß die
Überwindung des Todes alle Menschen zu Atheisten macht. Nur
wird dann die verzweifelte Hoffnung auf ein Weiterleben im Jen-
seits kein Motiv des Glaubens mehr sein. Hingegen werden die
Gläubigen Gott um so tiefer als den Architekten des Universums
und der Naturgesetze verehren.

Im übrigen bedeutet die Anwendung technischer Mittel, um die
Unsterblichkeit zu erreichen, nichts weiter als das Ausschließen
des unfreiwilligen Todes durch Krankheit, Alter oder Unfall. Wer
nach einem langen und erfüllten Leben sterben will, braucht nur
auf die Anwendung der Techniken zur Überwindung des Todes zu
verzichten. Aus der Sicht Gottes dürfte es keine Rolle spielen, ob
das Leben 70 Jahre oder 1 Milliarde Jahre dauert. Beide Zeiträu-
me sind nämlich nur ein kurzer Augenblick in der Ewigkeit, die
unendlich viele Milliarden Jahre umfaßt. Nur für uns ist der Un-
terschied gewaltig, weil wir in endlichen Dimensionen denken.

Trotz allem mag die Suche nach Wegen zur Unsterblichkeit gegen
viele der heutigen Auslegungen der Bibel, des Korans oder anderer
heiliger Schriften verstoßen. Solche Interpretationen bilden je-
doch nicht den Kern der Religionen. Sie sind nur die Auffassun-
gen der Führer der Glaubensgemeinschaften und werden an den
Fortschritt der Wissenschaft angepaßt werden, wie das in der Ver-
gangenheit auch geschehen ist. So verlangt heute kein Bischof
mehr von den Christen den Glauben an das geozentrische Welt-
bild, das die Erde als den Mittelpunkt des Sonnensystems und des
Universums ansieht. Wer das im 15. Jahrhundert ableugnete,
konnte hingegen als Ketzer verbrannt werden.










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