6. Geschichte und Zukunft der Idee vom Tiefkühlschlaf Wenn man nicht an übernatürliche Jenseitsvorstellungen glaubt, ist gegenwärtig die Zeitreise im Tiefkühlschlaf die einzige Mög- lichkeit, den Tod zu überwinden und eine Wiederauferstehung in der Zukunft ohne Veränderung der Persönlichkeit zu erreichen. Deshalb wird in diesem Kapitel untersucht, wie sich das für alle Menschen realisieren läßt, die es wünschen. 6.1 Die bisherige Entwicklung Die zur Erzeugung extrem tiefer Temperaturen erforderlichen Ge- räte gibt es schon seit langem. Etwa 1883 gelang erstmals die Ver- flüssigung des Stickstoffs bei der Temperatur von -196°C und 1908 die des Heliums bei der Temperatur von -269°C (1). In seinem 1964 veröffentlichten Buch "The prospect of immorta- lity" (deutsch: "Aussicht auf Unsterblichkeit") beschrieb der amerikanische Physikprofessor Robert C. Ettinger den Gedan- ken, die Körper von Verstorbenen durch eine Konservierung bei extrem tiefen Temperaturen zu erhalten, damit sie in der Zukunft durch fortgeschrittene Technologien wiedererweckt werden könn- ten. Davon angeregt, ließen einige Leute ihren Leichnam einfrie- ren. Der kalifornische Psychologieprofessor James H. ßedford soll der erste gewesen sein. Er starb l967 an Lungenkrebs und ließ seinen Körper bei der Temperatur des flüssigen Stickstoffs in ei- nem Tiefkühlinstitut konservieren. Bis 1974 wurden 24 weitere derartige Nicht-Begräbnisse bekannt. Es wird angenommen, da ß erheblich mehr reiche und prominente Personen in aller Stille ein- gefroren wurden (2). Diese Vermutung erscheint plausibel, weil die Familien kein Interesse haben, eine so ungewöhnliche "Bestat- tungsmaßnahme" in der Öffentlichkeit bekannt zu geben. In den USA gibt es mehrere kryonische Institute. So werden dort Ein- 92 richtungen bezeichnet, in denen man seinen Körper bei extremer Kälte konservieren lassen kann. Das streben jedoch nur wenige an. Ein wesentlicher Grund für dieses Desinteresse dürfte in den hohen Kosten zu suchen sein. 1975 sollen die Ausgaben für die Kryokonservierung eines Körpers etwa 50.000 Dollar betragen haben (3). Darin ist auch das Kapital enthalten, aus dessen Zinsen sich die dauernde sorgfältige War- tung der Gefriereinrichtung finanzieren läßt, die für eine ununter- brochene Kühlung notwendig ist. Die Kryokonservierung nur des Gehirns oder des Kopfes anstatt des gesamten Körpers ermöglicht eine erhebliche Verringerung der Kosten, weil viel weniger Tiefkühlraum benötigt wird. Deshalb kann die Zeitreise im Tiefkühlschlaf ohne besonderen Aufwand für alle verwirklicht werden, die es wünschen (das wird in den Ab- schnitten 6.3.1, 6.4 und 6.6 erläutert). Außerdem lassen sich beim alleinigen Einfrieren des Gehirns Schäden an den Zellen leichter verhindern, da jedes Organ eine seinen Eigenschaften angepaßte Vorbereitung benötigt (4). Wie im 5. Kapitel begründet, bietet die Kryokonservierung des Gehirns eines Sterbenden mit schon heute verfügbaren Techniken gute Aussichten, seine Seeleninformation vollständig zu bewah- ren, was eine spätere Wiedererweckung ohne Veränderung der Persönlichkeit verheißt. Damit diese Tatsache bekanxter wird, ist es zweckmäßig, wenn sich die an einer Zeitreise im Tiefkühlschlaf Interessierten intensiv dafür einsetzen. Dadurch können sie näm- lich ihre Chancen erhöhen, ihre Seeleninformation durch eine Kryokonservierung ihres Gehirns unter optimalen Bedingungen auch dann zu erhalten, wenn sie nicht wohlhabend sind, wie im folgenden begründet wird. Wenn viele Leute auf einem Einfrieren ihres Gehirns nach dem Tod bestehen, braucht die Hoffnung auf die Unsterblichkeit nicht länger Privileg der Reichen zu sein. 6.2 Die Verbreitung des Gedankens Wer mehr Menschen für eine Zeitreise im Tiefkühlschlaf begei- stern will, muß viele irrationale Ängste und Tabus überwinden. So schrieb ein Kritiker zu Ettingers Buch: "Es gibt einen zwingenden Grund dafür, solche Gedanken aus unserem Geist zu verbannen: 93 Die Konservierung des Lebens im Tiefkühler ist ein offener Affront unseres Gefühls für Schicklichkeit."(1) Zu dieser Ansicht ist er wohl deshalb gelangt, weil das Einfrieren gegen gewohnte Vorstellungen verstößt und verschiedene Tabus verletzt. Unkonventionell sind aber auch viele medizinische Behandlungen wie z.ß. Herztransplantationen. Die Ärzte verzichten darauf je- doch nicht, weil Aussichten bestehen, durch Anwendung solcher Maßnahmen das Leben der Patienten zu retten. Aus demselben Grund darf auch die Kryokonservierung von Gehirnen nicht abge- Iehnt werden. Schließlich sterben trotz aller medizinischen Kunst noch immer viele junge Leute und sogar Kinder an Krebs, AIDS, Herzinfarkten und anderen Krankheiten. Für sie bietet die Zeit- reise die letzte Chance, ihr Leben zu erhalten. In unserer Gesellschaft ist aber sogar der Tod selbst ein Tabu. Wie schon gesagt, sterben die Menschen weitgehend isoliert von der sozialen Umwelt in Krankenhäusern, soweit sie nicht plötzlich durch einen Unfall oder ein Kreislaufversagen dahingerafft wer- den. Viele unterdrücken jeden Gedanken an das Ende. So werden etliche den Gedanken an eine Zeitreise zunächst ablehnen, da er sie zwingt, sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen. Andererseits verdrängen die Leute den Tod nur deshalb, weil sie ihn mehr als alles andere fürchten. Sonst könnten sie ihm nämlich ruhig entgegensehen. Dabei ist das Sterben selbst nichts Schlim- mes. Es bedeutet oft nur ein sanftes Entschlafen oder eine Erlö- sung von einer schweren Krankheit. Das Schreckliche daran ist das unwiderrufliche Ende der individuellen Existenz. Davor hät- ten die Menschen keine Angst, wenn sie nicht weiterleben wollten. Hier stellt sich die Frage, ob die gar nicht so seltenen Selbstmorde und der nachlassende Lebenswille der Alten nicht beweisen, daß die meisten keine Verlängerung ihrer Existenz wünschen. Das ist nicht der Fall. Viele möchten nämlich nur unter den gegenwärti- gen Bedingungen nicht weiterleben, weil sie durch Krankheiten oder das Alter belastet sind oder ihr Dasein eintönig und ohne Freude ist. Die meisten Leute würden wohl zustimmen, wenn man ihnen ein zweites, besseres Leben anböte. Genau das können sie mit Hilfe einer Zeitreise gewinnen. Neue Techniken werden den Menschen nämlich nicht nur die Unsterb- lichkeit, sondern auch ein viel schöneres Leben ermöglichen. Wie im 8. Kapitel begründet wird, wird wahrscheinlich eine friedliche und gerechte Weltgesellschaft entstehen, die die Nachteile des wis- 94 senschaftlichen Fortschritts (z.B: die Umweltverschmutzung) ver- meidet und seine Vorteile wie Wohlstand, Luxus, die Befreiung von anstrengender oder langweiliger Arbeit und eine ewige Jugend allen zugute kommen läßt. Wer sich das nicht entgehen lassen will, darf auf die Zeitreise nicht verzichten. Somit ist es klüger, aktiv et- was gegen den Tod zu unternehmen, als die Augen vor ihm zu ver- schließen. Die Verbreitung dieser Einsicht dürfte aber auch durch irrationale Ängste erschwert werden, wie sie z.B. durch Horrorfilme mit le- benden Toten geweckt werden. Die darin agierenden Zombies sind jedoch erfundene Gestalten. Sie haben nichts mit den durch An- wendung fortgeschrittener Technologien wiedererweckten Men- schen zu tun. Manche mögen fürchten, mit ihrem Wunsch nach persönlicher Unsterblichkeit den kommenden Generationen eine schwere Bür- de aufzuladen. Die Lagerung von Gehirnen bei extrem tiefen Tem- peraturen erfordert jedoch nur einen geringen Aufwand (Begrün- dung s. Abschnitte 6.3.1, 6.4 und 6.6). Außerdem wird die Ver- breitung des Gedankens von der Zeitreise voraussichtlich den ge- genwärtigen Rüstungswahnsinn und die rücksichtslose Umwelt- zerstörung beenden, wie im 8. Kapitel erläutert wird. Somit kön- nen diejenigen, die für die Idee von der Zeitreise eintreten, dazu beitragen, daß ihren Nachfahren Kriege und ein vergifteter Le- bensraum erspart bleiben. Auch wenn sich sehr viele zu einer Zeit- reise entschließen sollten, wird es nach ihrer Wiedererweckung wahrscheinlich keine Überbevölkerungsprobleme geben (Begrün- dung: im 9. Kapitel). Trotz allem werden viele in dem Gedanken an eine spätere Wie- derauferstehung eine Störung der althergebrachten Ordnung se- hen und lieber ihren sicheren Tod in Kauf nehmen, nur weil sie sich nicht für etwas Neues entscheiden wollen. Aus ähnlichen Gründen werden vielleicht auch etliche Ärzte und Vissenschaftler ohne nähere Überprüfung die Kryokonservierung von Gehirnen ablehnen. Vorsichtige Fachleute werden nicht dafür eintreten, weil der letzte Beweis für den Erfolg der Maßnahme, der in der späteren Wiedererweckung liegt, erst in der Zukunft möglich ist. Etliche Experten werden den Gedanken von der Zeitreise vielleicht sogar als lächerlich abtun und eine spätere Wiederauferstehung als absolut unmöglich bezeichnen. Wie bereits im 4. Kapitel ausge- 95 führt, haben sich solche Aussagen in der bisherigen Geschichte je- doch häufig schon nach kurzer Zeit als falsch erwiesen. Dafür seien hier noch zwei weitere Beispiele angeführt. Im Jahre 1878, als der amerikanische Erfinder Thomas A. Edison versuchte, eine funktionsfähige elektrische Lampe herzustellen, setzte das eng- lische Parlament einen Ausschuß ein, der die Durchführbarkeit eines solchen Unterfangens beurteilen sollte. Nachdem die Exper- ten jener Zeit ihr Urteil abgegeben hatten, kam der Ausschuß zu dem Schluß, die Ideen Edisons seien "der ßeachtung durch den Praktiker oder Wissenschaftler nicht wert". Trotzdem gab es bald danach elektrisches Licht. In einem weiteren der vielen vom Leben widerlegten Sätze sagte 1964 der Computerspezialist Hubert L. Dreyfus: "Kein Schachprogramm kann auch nur Amateurschach spielen." Keine zwei Jahre später entwarf ein Absolvent des Mas- sachusetts Institute of Technology ein Computerschachprogramm und forderte Dreyfus zu einer Partie gegen den Computer heraus, die dieser gewann (2). Somit beweisen ablehnende Aussagen von Experten zu einer neuen Idee überhaupt nichts. Sie sind kein Grund, auf die Kryokonservierung des Gehirns zu verzichten. Dabei bestehen so- gar gute Aussichten, eine spätere Wiederauferstehung und die Unsterblichkeit zu erreichen. Diese Hoffnung stützt sich auf nach- prüfbare Tatsachen und auf logische Überlegungen. Darin unter- scheidet sie sich von den Jenseitsvorstellungen der Religionen, die den Glauben an einen Gott und an die nicht überprüfbare Existenz übernatürlicher Kräfte voraussetzen. In Teil 5.1 wurde anhand von wissenschaftlich überprüfbaren Ergebnissen der Kryobiologie und der Hirnforschung erläutert, warum die Seeleninformation bei der Abkühlung des Gehirns auf sehr niedrige Temperaturen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zerstört wird. Aus der Tatsache, daß dann praktisch keine chemi- schen Reaktionen und Zerfallsvorgänge mehr stattfinden, wurde in Abschnitt 5.2 die Folgerung hergeleitet, daß Gehirne bei extrem tiefen Temperaturen für sehr lange Zeit erhalten bleiben. Im 4. und 5. Kapitel wurde mit logischen Überlegungen die Annahme begründet, daß in der Zukunft Techniken zur Verfügung stehen werden, mit denen die Menschen, die ihr Gehirn einfrieren ließen, wiedererweckt werden können. Dann erwartet sie wahrscheinlich ein viel schöneres Leben, als es heute die kleine Oberschicht ge- nießt, wie im 8. und 9. Kapitel erläutert wird. 96 Deshalb werden wohl immer mehr Menschen trotz aller Tabus für den Fall ihres Todes eine Kryokonservierung ihres Gehirns verlan- gen, sobald sie von dieser Möglichkeit erfahren und sich intensiver damit auseinandersetzen. Schlimmstenfalls werden sie nicht wie- dererweckt und bleiben wie die auf gewöhnliche Weise Bestatteten für immer tot. Warum sollten sie also auf die Chance eines zwei- ten besseren Lebens in der Zukunft verzichten? 6.3 Die heutigen Möglichkeiten zur Realisierung Gegenwärtig ist das Einfrieren des Gehirns nur für sehr Wohlha- bende möglich. Es gibt auf der ganzen Welt nämlich nur wenige kommerzielle Einrichtungen, die zur Kryokonservierung von Kör- pern und damit auch von Gehirnen bereit sind und die damit ein gutes Geschäft machen wollen. Welche Hoffnung bleibt nun den- jenigen, die jetzt an einer unheilbar tödlichen Krankheit lciden und sich mit dem Ende nicht einfach abfinden wollen? Wenn sie entschlossen handeln und bei Schwierigkeiten nicht auf geben, haben sie durchaus Chancen, sich eine Zeitreise in die Zu- kunft und die Unsterblichkeit zu ermöglichen. Ein großes Vermö- gen ist dafür keine Voraussetzung. Der Todkranke oder seine Ver- wandten und Freunde müssen Einrichtungen suchen, die bereit sind, sein Gehirn bei extrem tiefen Temperaturen zu lägern. Außerdem sollte für ein Einfrieren des Gehirns mit möglichst schonenden Verfahren gesorgt werden. 6.3.1 Die gegenwärtig verfügbaren technischen Mittel Um Schäden beim Einfrieren zu vermeiden, müssen vorher Schutzsubstanzen über die Blutgefäße in das Innere des Gehirns gebracht werden (vgl. Abschnitt 5.1.2). Dazu ist ein Apparat erforderlich, der eine künstliche Durchströmung des Gehirns mit Schutzsubstanzen ermöglicht . Solche Geräte (z.B. Herz-Lungen- Maschinen) sind aber in vielen Kliniken vorhanden. Selbst wenn improvisiert werden muß und die Bedingungen beim Einfrieren des Gehirns oder des Kopfes nicht optimal sind, bleibt die Hoff- 97 nung auf eine Wiedererweckung durch fortgeschrittene Technolo- gien der Zukunft, weil auch eine starke Beschädigung des Gehirns nicht den Verlust der in ihm enthaltenen Seeleninformation bedeu- ten muß. Vor der Überführung in eine für die Langzeitkonservierung bei ex- trem tiefen Temperaturen geeignete Einrichtung lassen sich die Gehirne in einem normalen Tiefkühlfach bei -20°C lagern. Das geht sogar für mehrere Monate. Da ein Katzenhirn nach einer 203 Tage dauernden Aufbewahrung bei -20°C wiederbelebt werden konnte, ist zu erwarten, daß die für die Gehirninformation wichti- gen Moleküle und Strukturen so lange erhalten bleiben. Schließ- lich hängt auch die Lebensfähigkeit der Zellen der Katzenhirne von empfindlichen organischen Molekülen und Strukturen ab. Auch die für eine langsame Abkühlung auf extrem tiefe Tempera- turen (vgl. Abschnitt 5.1.2) erforderlichen Geräte und entspre- chende Lagerungsmöglichkeiten sind in vielen Einrichtungen vor- handen. In Frage kommen z.B. kryobiologische Labors der Hoch- schulen; Firmen, die Spermien für künstliche Befruchtungen oder anderes bei extrem tiefen Temperaturen lagern; und die kryoni- schen Institute in den USA, die die Konservierung von Körpern anbieten. Da ein Gehirn nur sehr wenig Tiefkühlraum benötigt, läßt sich für die Dauerlagerung eines Gehirns wahrscheinlich ein erschwinglicher Preis aushandeln. Fernerhin verfügen viele Indu- striebetriebe über die zur Erzeugung extrem tiefer Temperäturen erforderlichen Geräte. Flüssige Luft wird nämlich in großen Men- gen zur Erzeugung reinen Sauerstoffs produziert (2). Ihr Siedepunkt liegt bei -193 o C. Deshalb lassen sich Luftverflüssigungsanlagen auch für die Kryokonservierung von Gehirnen nutzen. Die Langzeitlagerung bei extrem tiefen Temperaturen erfordert übrigens keine komplizierte Großtechnologie. Im einfachsten Fall genügt dazu ein gut wärmeisolierter ßehälter, der in ein unteres Fach für die Aufnahme eines oder mehrerer Gehirne und einen oberen Raum für das Kühlmittel unterteilt ist (3). Dazu eignen sich flüssiger Stickstoff oder flüssige Luft. Die für die Langzeitkonser- vierung benötigten extrem tiefen Temperaturen lassen sich da- durch aufrechterhalten, daß das Kühlmittel regelmäßig nachge- füllt wird. Flüssige Gase halten sich nämlich in einem gut wärmeisolierten Gefäß durch schwaches Sieden ganz von selbst auf ihrem sehr tie- fen Siedepunkt (4). Ein Abzug zur Abführung der verdunstenden 98 flüssigen Gase ist vorzusehen. Das Verdampfen erfolgt sehr lang- sam, weil die Umwandlung von Flüssigkeiten in Gase viel Wär- meenergie verbraucht. So lassen sich verflüssigte Gase in großen Flaschen tagelang aufbewahren (5). Dazu ist eine Vakuumisolierung erforderlich, wie sie auch in gewöhnlichen Thermosflaschen ver- wendet wird. Der flüssige Stickstoff oder die flüssige Luft können in den Industriebetrieben gekauft werden, die sie herstellen, und in wärmeisolierten, gasdichten und drucksicheren Gefäßen zu dem Behälter mit den Gehirnen gebracht werden. Das ist aller- dings umständlich und keinesfalls optimal, weil kompliziertere Geräte automatisch arbeiten und das Kühlmittel selbst erzeugen. 6.3.2 Die Suche nach der notwendigen Unterstützung Aus dem bisher Gesagten folgt, daß die Zeitreise eines Sterbenden nicht an mangelnden technischen Möglichkeiten zu scheitern braucht. Wegen der irrationalen Ängste und Tabus in der Gesell- schaft wird es allerdings schwer sein, fremde Hilfe dafür zu gewin- nen. Deshalb sollten die Todkranken, die ihr Schicksal nicht ein- fach hinnehmen wollen, aber nicht aufgeben. Schließlich geben sich die Ärzte und die Angehörigen häufig viel Mühe, Sterbende bis zuletzt medizinisch zu versorgen und zu pflegen. Das zeigt, daß es bei den meisten Menschen ein ausgeprägtes Gefühl des Mitleids gibt. Wenn nun ein Todkranker die Kryokonservierung seines Ge- hirns wünscht und sich davon nicht abbringen läßt, darf er auf Unterstützung hoffen, weil das Anliegen durchaus begründet ist und ihm auf andere Weise nicht mehr geholfen werden kann. Es ist zweckmäßig, wenn sich die an einer Zeitreise Interessierten in Selbsthilfegruppen zusammenschließen. Diese können die Idee vom Tiefkühlschlaf leichter verbreiten als ein einzelner und so da- für sorgen, daß diejenigen, die ihr Gehirn einfrieren lassen wollen, dafür immer mehr Hilfe und bessere Möglichkeiten erhalten. Außerdem sind sie eher als einer allein in der Lage, günstige Ver- träge xnit Einrichtungen auszuhandeln, die über die Geräte verfü- gen, welche für die Dauerlagerung von Gehirnen bei extrem tiefen Temperaturen notwendig sind. Sie werden auch versuchen, ärztliche Unterstützung für die Kryo- konservierung von Gehirnen zu gewinnen. Das wird für die ersten, die eine Zeitreise im Tiefkühlschlaf anstreben, ein schwieriges 99 Problem sein. Die "Halbgötter in Weiß" wollen nämlich häufig nicht, daß die Patienten selbst über ihr Schicksal entscheiden. Außerdem wenden viele noch heute Therapieverfahren an, die schon vor 20 Jahren veraltet waren. So darf man sich nicht wun- dern, wenn Ärzte das Tiefkühlen des Gehirns ohne nähere Über- prüfung als unwissenschaftlich ablehnen, nur weil es ganz neu ist und gegen gewohnte Vorstellungen verstößt. Etliche Mediziner werden ihre Hilfe beim Einfrieren des Gehirns eines Sterbenden auch mit der Begründung verweigern, daß sie die Verantwortung dafür nicht übernehmen könnten, weil sie darüber zu wenig wüß- ten. Dem und allen anderen Ausflüchten ist entgegenzuhalten, daß ein Verwesen oder Verbrennen des Leichnams auf jeden Fall die Auslöschung des Individuums bedeutet, während beim Tief- kühlen auch unter ungünstigen Bedingungen Hoffnung auf eine spätere Wiedererweckung besteht (Begründung s. Abschnitt 5.1.3). Es gibt auch Ärzte, die die Sorgen und Wünsche ihrer Patienten verstehen und bereit sind, in sonst hoffnungsloser Situation neue Maßnahmen auszuprobieren. Deshalb müßte es bei intensiver Su- che möglich sein, Mediziner zu finden, die mit ihren Apparaten beim schonenden Einfrieren des Gehirns helfen. Der Sterbende sollte seinen Willen dazu in Zusammenarbeit mit dem Arzt und möglichst einem juristischen Berater schriftlich niederlegen, damit später niemand behaupten kann, das Gehirn des Patienten wäre ohne seinen Wunsch tiefgekühlt worden. Neben der Suche nach ärztlicher Unterstützung liegt ein weiteres Ziel der an einer Zeitreise Interessierten darin, gesetzliche Rege- lungen zu erreichen, die klarstellen, daß das Einfrieren des Ge- hir ns eines Todkranken keine aktive Euthanasie (Sterbehilfe) ist. Ein Arzt macht sich nämlich strafbar, wenn er einen Sterbenden, der es verlangt, tötet, um ihm unnötige Qualen zu ersparen. Hin- gegen ist die Kryokonservierung des Gehirns eine Maßnahme zur Erhaltung des Lebens. Sie gibt einem Sterbenden die Chance, in der Zukunft weiterzuleben. Das ist die letzte Hoffnung für einen Todkranken, bei dem alle an- dcren medizinischen Maßnahmen zur Verlängerung seines Lebens versagen. Ihm die Kryokonservierung seines Gehirns zu verwei- gern, ist genauso verwerflich wie das Verhindern einer lebensret- tenden Operation. Dieses Argument verliert nicht dadurch seine Gültigkeit, daß es keine Garantie für die spätere Wiedererwek- 100 kung gibt. Auch bei vielen chirurgischen Eingriffen ist der Erfolg nämlich keinesfalls sicher. Der Beginn des Einfriervorgangs beim noch lebenden Gehirn bie- tet die günstigsten Bedingungen für eine vollständige Erhaltung der Seeleninformation. Solange es keine gesetzlichen Regelungen gibt, werden sich viele Sterbende aber wohl damit begnügen müs- sen, daß ihr Gehirn erst nach ihrem Tod tiefgekühlt wird. Wie im 5. Kapitel erläutert wurde, bestehen aucl dann noch gute Aussich- ten für eine spätere Wiedererweckung, insbesondere wenn mit der Vorbereitung für das Einfrieren unmittelbar nach dem Ableben begonnen wird. Auch wenn zunächst nur einige wenig eine Zeitreise im Tiefkühl- schlaf wünschen, können sie auf eine ununterbrochene Kältekon- servierung ihrer Gehirne bis zu ihrer Wiedererweckung hoffen. Die Firmen, die neben anderen Dingen auch Gehirne bei extrem niedrigen Temperaturen lagern können, werden die Tiefkühlanla- gen nämlich im allgemeinen sorgfältig betreiben, weil sie andern- falls bald keine neuen Kunden mehr finden würden. Die Zeitrei- senden sollten allerdings die Verträge mit den Instituten genau aushandeln, damit die Konservierung ihrer Gehirne rechtlich so gut wie möglich gesichert ist. Außerdem müssen sie die Vertrags- partner genau überprüfen, um nicht Betrügern in die Hände zu fallen. Für die Zukunft ist zu erwarten, daß die an einer späteren Wieder- erweckung interessierten Angehörigen der kommenden Genera- tionen auf eine ununterbrochene Kältekonservierung der Gehirne der Zeitreisenden achten werden. Sie selbst sind nämlich nach dem Tod ihres ersten Körpers auf die gleiche Fürsorge angewiesen. Deshalb ist es für sie sehr wichtig, eine Organisation aufzubauen und am Leben zu erhalten, die die ununterbrochene Tiefkühlung der Gehirne der Zeitreisenden sicherstellt. Eine solche Organisa- tion kann ihren Zweck auch dann erfüllen, wenn sie in jeder Gene- ration nur von einer kleinen Gruppe unterstützt wird, da die Kryo- konservierung von Gehirnen keinen hohen Aufwand erfordert. Auch wenn es keine Projekte für die Entwicklung von Techniken zur Wiedererweckung der Zeitreisenden gibt, könnte das dafür er- forderliche Wissen im Laufe von Jahrhunderten als Nebenpro- dukt von Forschungen mit anderen Zielen gewonnen werden. Zum Beispiel wurden Computer, Roboter und Techniken zur Gen- manipulation nicht entwickelt, um den Menschen die Unsterblich- 101 keit zu bringen oder um Zeitreisende wieder zu erwecken. Trotz- dem könnte ihre ständige Verbesserung beides in der fernen Zu- kunft ermöglichen, wie im 4. und 5. Kapitel erläutert wurde. Nach und nach werden jedoch immer mehr Menschen von dem Weg zur Unsterblichkeit erfahren, der für die jetzt Sterbenden mit einer Zeitreise beginnt und ihnen eine spätere Wiedererweckung und ein unbegrenztes Leben ermöglicht. Wie schon gesagt, beruht diese Hoffnung anders als die nicht überprüfbaren Jenseitsver- sprechungen der Religionen auf nachprüfbaren Tatsachen und wohlbegründeten Annahmen. Deshalb werden wahrscheinlich im- mer mehr Menschen ein Einfrieren ihres Gehirns anstreben, weil sie so den Tod überwinden können. Sie werden sich bemühen, andere davon zu überzeugen, denn dadurch verbessern sie ihre Chancen für eine Tiefkühlung ihres Gehirns unter optimalen Be- dingungen. Wie schnell es zum Aufbau neuer Einrichtungen für die Kryokonservierung von Gehirnen kommt, hängt nämlich da- von ab, wie viele sich intensiv dafür einsetzen. Ein großes Inter- esse in der Öffentlichkeit erleichtert auch die Überwindung der in der Gesellschaft bestehenden Tabus. Welche weiteren Konsequen- zen sich daraus ergeben, wird in den folgenden Abschnitten erläu- tert. 6.4 Die Verbesserung der Möglichkeiten Sobald mehr Menschen eine Kryokonservierung ihres Gehirns an- streben, werden aufgrund der wachsenden Nachfrage neue kryo- nische Institute für die Langzeitkonservierung von Gehirnen ent- stehen. Dann werden sich die Kosten für den einzelnen Zeitreisen- den erheblich verringern, da eine einzige größere Tiefkühlanlage Tausende von Gehirnen aufnehmen kann. Außerdem werden die kryonischen Institute und immer mehr Krankenhäuser Geräte an- schaffen, die ein schonendes Einfrieren von Gehirnen ermögli- chen. Das ist wichtig, weil die Chancen für eine vollständige Er- haltung der Gehirninformation am besten sind, wenn im Fall einer medizinisch hoffnungslosen Situation noch vor oder sonst unmit- telbar nach dem Tod mit dem Einfrieren begonnen wird. Das ließe sich sogar für diejenigen erreichen, die nicht in einem Krankenhaus sterben. Dazu müßte jeder, der es wünscht, ein Puls- 102 überwachungsgerät erhalten, das bei einem Herzstillstand Not- signale sendet. Diese lassen sich anpeilen und erlauben es einem Rettungsdienst, Sterbende schnell zu finden. Falls die Wiederbele- bungsmaßnahmen dann erfolglos sind, wird sofort die Tiefküh- lung des Gehirns eingeleitet. Dazu bringt ein Krankenwagen den Patienten in die nächste Klinik mit den erforderlichen Geräten. Alle während des Transports möglichen Maßnahmen, insbesonde- re zur Wiederbelebung und zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs, führen schon die Sanitäter durch. In sehr unwegsamen Gebieten können für diese Aufgaben auch die bei den Berg- und Seenot- rettungsdiensten vorhandenen Hubschrauber eingesetzt werden. Das Pulsüberwachungsgerät läßt sich in einer Armbanduhr unter- bringen. Armbanduhren mit einem Pulsmesser und vielen weite- ren Sonderfunktionen kann man heute zu erschwinglichen Preisen kaufen. Der mit dem Überwachungsgerät gekoppelte Sender braucht bei einem genügend engmaschigen Netz aus Empfangs- und Peileinrichtungen nicht größer zu sein als eine Zigaretten- schachtel. Das Tragen eines solchen kleinen Apparates erhöht auch die Aus- sichten einer Rettung nach einem schweren Unfall oder Herzin- farkt, weil bei einem Herzstillstand mit den Wiederbelebungsmaß- nahmen innerhalb weniger Minuten begonnen werden muß. Der Notsender ermöglicht es außerdem alten oder gebrechlichen Men- schen, rasch Hilfe zu holen, wenn sie z.B. durch einen Sturz in eine schwierige Situation geraten sind. Für Kranke läßt er sich vielleicht mit weiteren Geräten wie mit Meßfühlern und einem Mi- krocomputer zur Überwachung der Aktivität des Herzens kop- peln. Dieser ruft dann im Fall von schweren Unregelmäßigkeiten des Herzschlags automatisch über den Notsender einen Arzt oder Sanitäter herbei. Das Interesse einer wachsenden Zahl von Menschen an der Zeit- reise im Tiefkühlschlaf wird immer mehr Wissenschaftler anre- gen, sich damit zu befassen. Sobald eine breitere Öffentlichkeit sich mit dieser Möglichkeit, den Tod zu überwinden, auseinander- setzt, werden Forschungsmittel dafür zur Verfügung stehen, weil die Erhaltung menschlichen Lebens ein sehr wichtiges Ziel ist. Dann können systematisch alle für die Zeitreise im Tiefkühlschlaf wichtigen Fragen untersucht werden. Dadurch lassen sich die Ver- fahren zur schonenden Abkühlung des Gehirns auf extrem tiefe Temperaturen verbessern, so daß dieses mit immer weniger Schä- 103 den gelingt. Außerdem werden neue Erkenntnisse über die opti- malen Bedingungen für eine Langzeitkonservierung der Gehirne gewonnen. Ein drittes Ziel ist die genauere Erforschung des Ge- hirns und der Biochemie. Dadurch wird eine Grundlage für die Entwicklung von Verfahren zur Wiedererweckung der Zeitreisen- den gelegt. Auch solange es aufgrund der Tabus und irrationalen Ängste noch keine Projekte mit dem Ziel gibt, die Techniken zur Kryokonser- vierung von Gehirnen zu verbessern, könnten dafür nützliche Er- kenntnisse als Nebenprodukte anderer Forschungen gewonnen werden. Schließlich sind auch alle in diesem Buch erwähnten expe- rimentellen Befunde auf diese Weise entstanden. Zur Zeit arbeiten verschiedene Wissenschaftler an Verfahren, innere Organe von Verstorbenen bei extrem tiefen Temperaturen zu konservieren und später in einen Kranken zu transplantieren (1). Das setzt voraus, daß die Organe trotz der Belastungen durch das Tiefkühlen und Wie- dererwärmen voll lebens- und funktionsfähig bleiben. Derartige Forschungen sind nützlich für den Aufbau von Organbanken, in denen innere Organe gelagert werden. Dadurch werden die Chan- cen verbessert, für Patienten mit Herz-, Nieren- oder Leberversa- gen sofort ein passendes Transplantat bereitzustellen. Das wäre ein großer medizinischer Fortschritt, da gegenwärtig in Notfällen meistens keine geeigneten Organe verfügbar sind. Falls es gelingt, zur Lösung dieses Problems schonende Methoden zum Einfrieren von Herzen, Nieren und Lebern zu entwickeln, könnte das auch für die Kryokonservierung von Gehirnen nützlich sein, da sie ebenfalls Organe sind. 6.5 Die Verantwortung der kommenden Generationen Wenn viele Bürger die Zeitreise wünschen, werden sie wahrschein- lich einen besonderen gesetzlichen Schutz für die Tiefkühlanlagen erreichen. In den eingefrorenen Gehirnen warten schließlich die Seelen von Menschen auf ihre Wiedererweckung in einem neuen Körper. Ihre Zerstörung wäre Mord und muß deshalb verhindert werden. 104 Sobald ein genügend großer Teil der Menschen die Vorteile einer Zeitreise im Tiefkühlschlaf begriffen hat, werden sich die kom- menden Generationen ihrer Verantwortung für die Schlafenden bewußt sein. Sie werden die Tiefkühlanlagen stets sorgfältig war- ten und entsprechend dem aktuellen Stand der Wissenschaft ver- bessern, da sie, wie schon im Kapitel 6.3.2 erwähnt, nach dem Tod ihres ersten Körpers auf die gleiche Fürsorge angewiesen sein wer- den. So werden die Tiefkühlanlagen bleiben, auch wenn sich im Laufe der Zeit die Lebensweisen, die Gesellschaften, die Regie- rungsformen und die Staaten verändern. Das gilt auch dann, wenn vor der Entwicklung von Techniken zur Aufzeichnung der Gehirninformation und zu ihrer Übertragung in einen neuen Körper eine Verlangsamung des Alterungsprozesses gelingt. In diesem Fall werden die Nachfahren die Tiefkühlanla- gen weiter betreiben und nach Methoden zur Wiedererweckung der Zeitreisenden forschen, weil sie wohl eine Verpflichtung zur Bewahrung menschlichen Lebens empfinden werden. Nach der Verbreitung des Gedankens von der Zeitreise wird das Leben jedes einzelnen nämlich viel höher geachtet werden als heute, wie im 8. Kapitel begründet wird. Außerdem werden die Menschen dann auch selbst weiterhin auf die Tiefkühlanlagen angewiesen sein, wenn bei ihnen tödliche Krankheiten auftreten. Vielleicht gibt es irgendwann vollkommen unschädliche Verfahren für das Einfrieren des ganzen Körpers, so daß man im Tiefkühl- schlaf nur auf die Entdeckung von Methoden zur Heilung der noch nicht beherrschbaren Krankheiten warten muß (1). Man kann dann unbegrenzt in demselben Körper leben. So erreichen die Menschen eine physische Unsterblichkeit. Auch wenn es gelingt, alle Krankheiten und das Alter zu besiegen, bleibt die Entwicklung von Techniken zur Seelenaufzeichnung und -übertragung wichtig, weil, wie schon gesagt, die physische Unsterblichkeit nicht vor dem Tod durch schwere Unfälle schützt. Sobald die erforderlichen Techniken zur Verfügung stehen, wer- den die Menschen der Zukunft die Zeitreisenden wiedererwecken. Sie wissen ja, daß diese dafür ihr Gehirn einfrieren ließen. Außer- dem sind sie selbst auf einen ähnlichen Dienst der anderen ange- wiesen, wenn ihre eigene Seeleninformation später einmal in einen neuen Körper übertragen werden soll. Die Menschen der Zukunft werden die Zeitreisenden auch deshalb ins Leben zurückrufen, weil ihre Gesellschaft wahrscheinlich jedes menschliche Leben 105 sehr hoch achten wird. Durch die Wiedererweckung der Zeitrei- senden wird für sie kein nennenswerter Arbeitsaufwand entste- hen, weil die dafür erforderlichen Maßnahmen mit den dann weit fortgeschrittenen Technologien überwiegend von Robotern ausge- führt werden können. Sollte es nicht möglich sein, für alle nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft wiedererweckbaren Zeitreisenden gleichzeitig Nah- rungsmittel und Wohnraum zu beschaffen, wird man sie nachein- ander ins Leben zurückrufen. Allerdings werden die Techniken der Zukunft voraussichtlich ohnehin einer sehr großen Anzahl von Menschen nicht nur .das Notwendige, sondern auch jeden Luxus bieten können. 6.6 Ein Massenprogramm zur Verwirklichung der Zeitreise für alle Wenn eine genügend große Anzahl von Bürgern die Zeitreise im Tiefkürlschlaf wünscht, werden vielleicht die Sozialversicherun- gen die Kosten für die dafür notwendigen Maßnahmen überneh- men. Dadurch würde für industrialisierte Staaten kein untragba- rer Aufwand entstehen, weil vorhandene medizinische Einrichtun- gen dafür genutzt und die zusätzlich benötigten Anlagen preisgün- stig hergestellt werden können. So wird der (in Abschnitt 6.4 besprochene) Notsender nicht viel kosten, weil sich die dafür benötigten elektronischen Bauteile ins- besondere in großen Serien billig herstellen lassen. Entsprechen- des gilt auch für die Empfangs- und Peileinrichtungen, die, von Mikroprozessoren gesteuert, weitgehend automatisch arbeiten können. Die rasche Versorgung der Personen, deren Notsender ei- nen Herzstillstand signalisiert, wird ebenfalls keine hohen Kosten verursachen, weil sich das durch einen Ausbau der bestehenden Rettungsdienste erreichen läßt, die einem Unfallopfer im allgemei- nen innerhalb kurzer Zeit nach der Benachrichtigung erste Hilfe bringen und es sofort in ein Krankenhaus transportieren können. Durch das schonende Einfrieren der Gehirne von Verstorbenen werden in den Kliniken keine erheblichen zusätzlichen Personal- und Sachkosten entstehen. Die Krankenhäuser brauchen nämlich schon für ihre heutigen Aufgaben sehr viele teure Geräte, z.B. 106 zum Röntgen oder für die Operationssäle. Die weniger umfangrei- chen Ausrüstungen für die Einleitung des Tiefkühlschlafs werden somit nur einen kleinen Teil der ohnehin für die Krankenhaustech- nik notwendigen Ausgaben, verursachen, zumal sie sich in großen Serien ziemlich preiswert herstellen lassen. Beim schonenden Ein- frieren des Gehirns entstehen auch keine nennenswerten Personal- kosten, weil das nur wenige Stunden dauert. Nach dem Einfrieren sind die Gehirne in einem gekühlten Behälter in ein Dormitorium (lateinisch: Schlafstätte) zu überführen, wo sie bei extrem tiefen Temperaturen gelagert werden. Der Bau und der Betrieb einer solchen Anlage verursachen keine hohen Kosten, weil dazu weder besonders teure Materialien noch viel Personal benötigt werden. Daß die Erzeugung extrem tiefer Temperaturen nicht teuer ist, zeigt sich z.B. daran, daß die Luftverflüssigung das kostengünstigste Verfahren zur Gewinnung großer Mengen reinen Sauerstoffs ist (1). Deshalb ist die Herstellung von flüssiger Luft bei extrem niedrigen Temperaturen zum Range einer Großindustrie aufgestiegen (2). Ein Dormitorium von der Größe eines Würfels mit 30 m Kanten- länge nimmt eine Million Gehirne auf, wobei der Platzbedarf für ein Gehirn großzügig mit 30 cm x 30 cm x 30 cm veranschlagt wird. Eine Million Bürger bilden die Einwohnerzahl von zehn Großstädten. Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Rathäu- ser, Behörden und Beamte für sie da sind, stellt man fest, daß die Kosten für die Lagerung der Gehirne nur einen Bruchteil der Aus- gaben für die öffentliche Verwaltung ausmachen werden. Somit sind die Kosten für ein öffentliches Massenprogramm zur Kryokonservierung von Gehirnen tragbar. In Zukunft wird sich der wirtschaftliche Aufwand zwar erhöhen, weil mit jeder Genera- tion neue Gehirne hinzukommen werden. Wegen des geringen Platzbedarfs, auch für eine sehr große Anzahl von Gehirnen, wer- den aber keine unzumutbaren Belastungen entstehen. Die großen Dormitorien, die bei Einführung eines Massenpro- gramms zur Zeitreise im Tiefkühlschlaf entstehen werden, können ohne erheblichen Aufwand mit allen erdenklichen Sicherheitsvor- kehrungen (z.B. Notstromaggregaten) ausgestattet werden. Alle für die Funktion der Einrichtungen wichtigen Anlagen werden mehrfach vorhanden sein. Somit ist auch in vielen Jahrtausenden keine Unterbrechung der Kühlung durch technische Pannen (wie Stromausfälle oder Brüche von Rohrleitungen) zu erwarten. 107 Die Gehirne, die im 20. Jahrhundert in schlechter ausgerüsteten Tiefkühlanlagen eingelagert wurden, können später in die großen Dormitorien umgebettet werden. Allerdings ist auch in einfachen Einrichtungen eine Unterbrechung der Kühlung nicht wahrschein- lich, weil sich die als Kühlmittel verwendeten flüssigen Gase eine Zeitlang von selbst auf ihrem extrem niedrigen Siedepunkt halten. So hat der wohl häufigste Störfall einer vorübergehenden Unter- brechung des Kühlmittelnachschubs, z.B. infolge eines Stromaus- falls, noch keinen Temperaturanstieg zur Folge, da genügend Zeit für Reparaturen bleibt. Folglich können auch diejenigen, die jetzt eine Zeitreise beginnen, mit einer ununterbrochenen Kühlung bis zum Zeitpunkt ihrer Wiedererweckung rechnen. 108