11. Die Suche nach dem verlorenen Paradies 11.1 Die Vertreibung aus dem Garten Eden Mancher wird vielleicht einwenden, die Unsterblichkeit, die Kolo- nisierung des Weltalls und die Steigerung der geistigen Leistungs- fähigkeit seien unnatürlich, weil das alles eine hochentwckelte Technik erfordere. Ein solcher Gegensatz zwischen Natur und Technik existiert jedoch nur scheinbar, denn wir Menschen sind durch die natürliche Evolution aus dem Tierreich hervorgegangen. Unsere technischen Errungenschaften gehören deshalb ebenso zur Natur wie die Dämme der Biber oder die Hügel der Termiten. Schon unsere affenähnlichen Vorfahren haben vor mehr als drei Millionen Jahren primitive Techniken gekannt, die es ihnen er- möglichten, einfache Werkzeuge herzustellen.(1) Wenn wir keine technischen Fähigkeiten hätten, wären wir schon vor langer Zeit ausgestorben, denn wir sind viel zu schwach, um ohne die Hilfs- mittel zu überleben, die unsere Intelligenz mit Hilfe unserer Hän- de geschaffen hat. Unsere Technik ist allerdings viel umfassender und komplexer als die unserer Urahnen, aber auch eine solche Höherentwicklung ist ein ganz natürlicher Vorgang. Das wird deutlich, wenn man die Pflanzen und Tiere unserer Erde betrach- tet, die ebenfalls bei weitem größer und komplexer sind als die ein- zelligen Urformen, aus denen sie sich entwickelt haben. Diese Argumente rechtfertigen allerdings nicht die Vernichtung von Wäldern oder anderen Naturlandschaften und den Aufbau von Industrieanlagen, die große Mengen von Schadstoffen erzeu- gen, weil wir damit unsere eigene Lebensgrundlage gefährden. Die rücksichtslose Umweltzerstörung ist jedoch kein Kennzeichen der modernen Technologie, sondern nur das eines politischen Systems, welches wirtschaftliches Wachstum manchmal höher be- wertet als das Wohl der Menschen und deshalb häufig den Einsatz teurerer, aber umweltfreundlicherer Produktionsverfahren ab- 159 lehnt. Wenn die Menschen ihre Technik verantwortungsvoller ein- setzen würden, könnten sie sie durchaus mit der übrigen Natur in Einklang bringen, da die Umweltverschmutzung bereits beim ge- genwärtigen Stand der Technologie drastisch vermindert werden könnte und der wissenschaftliche Fortschritt in Zukunft weitere Verbesserungen ermöglichen wird. Es wire absolut unnatürlich, wenn wir auf weitere Fortschritte unserer Zivilisation verzichten würden. In der Geschichte des Le- bens auf unserem Planeten kam es niemals zu einem Stillstand. Stets gab es Veränderungen, so daß im Laufe der Zeit immer kom- plexere und intelligentere Organismen entstanden. Somit ist es ganz natürlich, wenn auch wir Menschen uns weiterentwickeln, indem wir unsterblich werden und neue körperliche und geistige Fähigkeiten erwerben. Für eine solche Höherentwicklung gibt es in der bisherigen Geschichte des Lebens allerdings keine Paralle- len. Dasselbe gilt jedoch ebenso für alle vergangenen Entwicklun- gen, denn auch bei der Entstehung der ersten Bakterien und Algen, Vielzeller, Wirbeltiere und Menschen gab es jedesmal grundlegende Neuerungen. Folglich könnte man die Unsterblich- keit des Menschen als den nächsten Schritt in der Entwicklung des Lebens betrachten. Der persische Schriftsteller F. M. Esfandiary meint dazu in seinem Buch "Optimismus I": "Unsterblichkeit ist lediglich eine weitere Phase der Evolution und nicht spektakulärer als der aufrechte Gang oder die Fähigkeit des Sprechens; und sicherlich viel weniger aufsehenerregend als etwa das Auftauchen des Lebens aus der unbelebten Materie."(2) Ähnliches läßt sich auch über die Kolonisierung des Weltalls sa- gen, denn vor einigen hundert Millionen Jahren waren die Konti- nente der Erde noch genauso unbewohnt, wie es heute der Mond ist. Alles Leben spielte sich ausschließlich im Wasser ab. Erst spä- ter begannen die Pflanzen und Tiere, auch das Festland zu besie- deln. Somit folgen wir mit unseren Wünschen nach Unsterblich- keit, nach körperlicher und geistiger Vervollkommnung und nach Erschließung neuer Lebensräume nur einem Grundbedürfnis nach Erhaltung des Lebens, nach Höherentwicklung und Ausbreitung, das allem Lebendigen innezuwohnen scheint. Manchmal wird allerdings behauptet, das Streben nach wissen- schaftlicher Erkenntnis und technischem Fortschritt habe den Menschen aus einem paradiesischen Urzustand vertrieben. Dabei wird jedoch vergessen, daß die Naturvölker keineswegs in para- 160 diesischen Verhältnissen lebten. Charles Darwin, der eine große Weltreise unternommen hatte, bevor er sein berühmtes Werk über die Evolutionstheorie verfaßte, schrieb über die Ureinwohner Feuerlands (3): "Es kann schwerlich ein Zweifel darüber bestehen, daß wir von Barbaren abstammen. Mein Erstaunen beim ersten Anblick einer Herde Feuerländer an einer wilden und zerklüfteten Küste werde ich nie vergessen; denn ganz plötzlich fuhr es mir durch den Kopf: So waren unsere Vorfahren. Diese Menschen wa- ren absolut nackt und mit Farbe beschmiert, ihre Iangen Haare waren durcheinander gewirrt, ihr Mund schäumte in der Erre- gung, und ihr Ausdruck war wild, erschreckt und mißtrauisch. Sie kannten kaum irgendeine Kunst, und gleich wilden Tieren lebten sie von dem, was sie gerade erlangen konnten. Sie hatten keine Re- gierung und waren er.barmungslos gegenüber allen, die nicht ihrem eigenen kleinen Stamm angehörten." * Selbstverständlich gibt es zwischen den Völkern, die ohne moder- ne Technik in der Natur lebten oder noch leben, große kulturelle Unterschiede. Einige haben sehr wohl eine hochentwickelte Kunst gekannt. Alle verfügten aber nur über einfache Werkzeuge und Waffen und lebten von dem, was sie erjagen oder in den Wäldern und Sävannen ihrer Heimat finden konnten. Deshalb waren ihre Lebensbedingungen häufig so hart, daß sie ihre Alten und Kran- ken töten oder in der Wildnis aussetzen mußten, wenn diese nicht mehr selbst für ihren Unterhalt sorgen konnten. Diese grausame Sitte war vor einigen Jahrtausenden über die ganze Erde verbrei- tet4. Von verschiedenen Eingeborenenstämmen Afrikas, Südame- rikas, Sibiriens und Zentralasiens wurde sie auch im Ietzten Jahr- hundert noch praktiziert. Wir haben allerdings keinen Grund, des- halb auf die Naturvölker herabzusehen, denn ihre kärglichen Mit- tel reichten oft nicht aus, Angehörige zu versorgen, die sich nicht mehr um sich selbst kümmern konnten. Es ist anzunehmen, daß wir uns in ihrer Situation ähnlich verhalten würden, denn wer ständig ums Überleben kämpfen muß, kann bestenfalls Sorge für die Nachkommenschaft tragen. Er wird anderen auch dann nicht * Charles Darwin lebte im 19. Jahrhundert im Zeitalter des Kolonialismus. Des- halb ist seine Ausdrucksweise manchmal etwas dünkelhaft, z.B. wenn er eine Gruppe von Menschen als eine Herde bezeichnet. Das ändert aber nichts daran, daß er stets bemüht war, seine Beobachtungen sorfältig und objektiv festzuhaI- ten. 161 helfen können, wenn er es möchte. Somit ist ein soziales System der Mitverantwortung für den Nächsten nur dann möglich, wenn eine gewisse Technik vorhanden ist, die wenigstens die Erfüllung der Grundbedürfnisse sicherstellt. Wer trotz allem die Lebensbedingungen der Urzeit oder des Mit- telalters für paradiesisch hält, sollte auch bedenken, daß es vor dem Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert keine wirk- same medizinische Versorgung gegeben hat. Damals mußten die Menschen ohnmächtig mitansehen, wie ihre Kinder durch Cho- lera, Typhus oder Diphtherie dahingerafft oder von der Rachitis verkrüppelt wurden. Ein entzündeter Blinddarm konnte für sie zu einer nicht behebbaren Ursache eines qualvollen Todes werden. Wenn jemand Zahnschmerzen bekam, gb es nur eine einzige Be- handlungsmöglichkeit: Der Zahn mußte gezogen werden - unter natürlichen ßedingungen, ganz ohne Chemie, d.h. ohne irgend- eine Betäubung. So hatten viele schon im Alter von 40 Jahren keine Zähne mehr. Die meisten wurden allerdings nicht so alt, weil sie vorher an einer unzureichend behandelten Krankheit oder an den Folgen rriangelhafter Ernährung starben. Somit haben die Menschen der Vergangenheit und die Naturvöl- ker, zu denen auch unsere frühen Vorfahren gehörten, offensicht- lich nicht in einem Paradies gelebt. Dennoch glauben fast alle Re- ligionen an eine urzeitliche Stätte der Ruhe, des Friedens und des Glücks, in der die ersten Menschen in Freiheit von Sünde und Tod lebten. Später mußten sie dieses Paradies dann verlassen und wa- ren von da an zum Sterben und zu harter Arbeit verurteilt. Die Bi- bel spricht in diesem Zusammenhang vom Garten Eden, die kelti- sche Religion von der "Apfelinsel" Avalon und die Religion der südamerikanischen Inka von der "Oberwelt" (in ihrer Sprache: Hanak Pacha) (5). Die brasilianischen Guarani-Indianer kannten viele Worte für ihr Paradies. Sie nannten es "Land der Großen Ahnen" und gleichzeitig "Land der Unsterblichkeit und der ewi- gen Ruhe" oder "Land ohne Übel".(6) Der Glaube an ein Paradies als dem Wohnort der Urahnen scheint ein gemeinsamer Bestandteil aller Kulturen der Menschheitsge- schichte zu sein und ist somit für das Denken der Menschen von großer Bedeutung. Deshalb kann man annehmen, daß die häufig geäußerte Auffassung, die Menschen hätten früher besser gelebt, mit den uralten Mythen von der Vertreibung aus dem Paradies zu- sammenhängen könnte. Die Tatsache, daß solche Erzählungen 162 unabhängig voneinander auf verschiedenen Erdteilen entstanden sind, gibt außerdem Anlaß zu der Vermutung, daß sie mehr sein könnten als eine reine Fiktion. Haben sie also einen realen Hinter- grund? Haben die Menschen in einer fernen Urzeit vielleicht tat- sächlich in einem Paradies gelebt? Wenn man Antworten auf diese Frage sucht, ist es zweckmäßig, sich zunächst mit dem zu befas- sen, was die alten Überlieferungen über die Vertreibung aus dem Paradies berichten. Wenn man weiß, auf welche Weise unsere Vorfahren in diese Welt gelangt sind, kann man eventuell auch herausfinden, wo ihr verlorenes Paradies gelegen haben könnte. Im Westen ist die biblische Geschichte von Adam und Eva am be- kanntesten. Sie aßen die verbotene Frucht vom Baum der Er- kenntnis und wurden dafür mit der Vertreibung aus dem Paradies bestraft. Ähnliches berichten auch die Mythen anderer Kulturen. Besonders aufschlußreich ist dabei die Erzählung vom Tod der Hainuwele, die vor langer Zeit auf Ceram, einer der Molukken- inseln im heutigen Indonesien, entstanden ist. Darin wird geschil- dert, wie bei den Menschen der Vorzeit, aus einem Baum geboren, das göttliche Mädchen Hainuwele erschienen war. Sie war den Menschen unheimlich. Deshalb beschlossen sie nach acht Nächten und acht magischen Tänzen, das Mädchen zu töten. Es wurde eine Grube gegraben, und in der neunten Nacht drängten die Men- schen das Mädchen hinein und stampften im Tanze die Erde über ihr fest. Der Vater des Mädchens suchte sie am anderen Morgen und grub sie aus; er zerstückelte ihren Leib und vergrub die Teile um den ganzen Tanzplatz herum. Die vergrabenen Stücke jedoch verwandelten sich in Dinge, die es damals auf der Erde noch nicht gab, insbesondere in die Knollenfrüchte, von denen die Menschen seither hauptsächlich leben. Nur die Arme der Hainuwele hatte er nicht mit vergraben; diese brachte er zu Mulua Satene, einem an- deren göttlichen Mädchen, das damals noch über die Menschen herrschte. Mulua Satene war böse auf sie, weil sie getötet hatten. Darum baute sie am Tanzplatz ein großes Tor. Dann versammelte sie alle Menschen an der einen Seite des Tores, sie selber aber stellte sich auf einen Bananenstamm auf der anderen Seite und sagte zu ih- nen: "Ich will jetzt von euch gehen. Zuvor aber müßt ihr Men- schen durch das Tor zu mir kommen. Wer durch das Tor hin- durchgeht, der bleibt Mensch." Diejenigen jedoch, die nicht durch das Tor hindurchgingen, wurden damals zu Tieren oder zu 163 Dämonen des Waldes. So entstanden die Schweine, Hirsche, Vö- gel und Fische und die vielen Dämonen. Mulua Satene aber hielt einen Arm der getöteten Hainuwele in je- der Hand und berührte damit jeden, der durch das Tor zu ihr kam. Seitdem müssen die Menschen sterben und eine beschwerli- che Totenreise antreten, wenn sie Mulua Satene wiedersehen wol- len.(7) Auch hier wurden die Menschen also nach einem Sündenfall aus dem paradiesischen Zustand des immerwährenden Lebens vertrie- ben. Dabei durfte nur derjenige ein Mensch bleiben, der das Tor des Todes durchschritt und sich vom Tod berühren ließ. Der Mensch ist also gezwungen, dem Tod wissend zu begegnen. Das unterscheidet ihn vom Tier. Dies entspricht den Erkenntnissen der modernen Biologie. Der Mensch ist nach allem, was wir wissen, der einzige Organismus auf der Erde, dessen Gehirn so komplex ist, daß er seine eigene Sterblichkeit begreifen kann.(8) Er hat sich im Laufe von Jahrmillionen durch die natürliche Evo- lution aus dem Tierreich entwickelt. Vor etwa sechs Millionen Jahren waren unsere Vorfahren kleine affenartige Lebewesen, die bis dahin auf den Bäumen des tropischen Urwalds gelebt hatten und dann begannen, ein neues Dasein in Waldlichtungen und auf der Savanne zu suchen. Diese Tiere entwickelten sich nach und nach zu aufrecht gehenden Lebewesen. Bereits vor drei bis vier Millionen Jahren gingen unsere Urahnen ähnlich wie wir auf zwei Beinen und durchstreiften so die Graslandschaften und Wälder dieser Erde. Sie stellten auch schon primitive Werkzeuge her, was auf eine gewisse Intelligenz hinweist. Sehr groß können ihre intel- lektuellen Fähigkeiten allerdings nicht gewesen sein, da ihr Gehirn nur wenig größer war als das eines Schimpansen. Erst während der letzten zwei Millionen Jahre wurden unsere Vorfahren allmäh- lich intelligenter. Vor etwa 50.000 Jahren unterschieden sie sich schließlich nicht mehr wesentlich von den modernen Menschen.(9) Diese Abstammungslehre ist heute nahezu unumstritten, da sie durch sehr viele Fossilienfunde belegt wird. Nichts spricht dafür, daß der Mensch plötzlich vom Himmel oder von anderswoher aus einem Paradies auf die Erde gekommen ist. Auch für unsere af- fenähnlichen Vorfahren gab es den Tod und die anderen Übel die- ser Welt. Sie hatten aber wahrscheinlich niemals bemerkt, daß der Tod ihr Schicksal sein würde, weil ihrem Gehirn die Fähigkeit zum Vorausdenken fehlte (10). Erst nachdem das Gehirn unserer Ahnen 164 vielleicht vor einigen hunderttausend Jahren, höher entwickelt war, konnte ihnen die Erkenntnis gedämmert sein, daß auch ihr Leben einmal ein Ende haben würde. Diese Einsicht hat ihnen vielleicht ihren inneren Frieden genom- men, denn das Wissen, sterben zu müssen und nichts dagegen un- ternehmen zu können, ist nur schwer zu ertragen. Das gilt natür- lich auch für uns. Wir haben jedoch gelernt, den Tod zu verdrän- gen, so daß wir manchmal dazu neigen, die Angst vor dem Ende zu verleugnen. Die Tatsache, daß nicht wenige jeden Gedanken an den Tod unterdrücken, zeigt aber, daß sie sich damit nicht abfin- den können. Somit sind viele wahrscheinlich von einem wirklichen seelischen Gleichgewicht weit entfernt, weil sie einerseits mit der Gewißheit des Todes leben müssen und andererseits nicht imstan- de sind, dem Sterben ruhig entgegenzusehen. Hingegen ist es vor- stellbar, daß unsere Vorfahren, die von der Kürze ihres Daseins noch nichts geahnt haben, ein Leben ohne Furcht und eine tiefe innere Harmonie gekannt haben. So drängt sich die Frage auf, ob die alten Mythen vom Paradies vielleicht auf jene ferne Vergangenheit zurückgehen, als sich die Menschen ihrer Sterblichkeit noch nicht bewußt waren und des- halb vielleicht glücklicher waren als heute. Es ist möglich, daß eine solche Erinnerung von Generation zu Generation an die Nach- kommen weitergegeben worden ist, da unsere Vorfahren wahr- scheinlich schon vor mehr als zwei Millionen Jahren eine primitive Sprache gekannt haben, mit der sie Gefühle und Erfahrungen be- schreiben konnten . Die anfangs wohl sehr einfachen Schilderun- gen über eine frühere Zeit des Glücks könnten nach und nach zu den mit vielen Einzelheiten ausgeschmückten religiösen Überliefe- rungen geworden sein, die schließlich zu einer Grundlage des Glaubens an ein Paradies wurden. Somit erscheint es durchaus plausibel anzunehmen, daß unsere Vorfahren die Vertreibung aus dem Paradies der Höherentwick- lung ihres Gehirns zu verdanken hatten. Der Sündenfall könnte ein Ergebnis ihres Strebens nach Erkenntnis gewesen sein, welches ihnen ein Begreifen der eigenen Sterblichkeit gestattete. In der Bi- bel wird der Sündenfall allerdings mit dem Erwerb des Wissens über den Unterschied zwischen Gut und Böse gleichgesetzt. Das ist jedoch ebenfalls eine Folge der Höherentwicklung des Gehirns, denn auch ein solches abstraktes moralisches Urteil erfordert eine gewisse Intelligenz. Außerdem weisen zahlreiche Mythen auf eine 165 enge Verbindung zwischen dem Bösen und dem Tod hin. Überall auf der Erde sind Legenden entstanden, in denen erzählt wird, seit dem ersten Mord gäbe es den Tod für uns Menschen. Eine klassi- sche Formulierung dieses Tatbestandes bietet das oben erwähnte Hainuwele-Mythologem von der Insel Ceram. Die Menschen mußten durch das Tor des Todes gehen, nachdem sie das göttliche Mädchen Hainuwele umgebracht hatten. Eine ganz ähnliche Überlieferung gibt es auch bei den südamerikanischen Uitoto- Indianern auf der anderen Seite der Erdkugel. Ihre Geschichte schildert, wie die Menschen den Urvater Moma töteten, wofür sie mit dem Verlust der Unsterblichkeit bestraft wurden (12). Auch in der Bibel ist das erste Ereignis unter den Menschenkindern, von dem nach der Vertreibung aus dem Paradies des immerwährenden Lebens berichtet wird, die Ermordung Abels durch Kain. Das Töten scheint in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit tatsächlich eine große Rolle gespielt zu haben. Die Vorgeschichts- forscher haben nämlich bei den Skeletten unserer direkten und in- direkten Vorfahren sehr häufig zerbrochene Schädel gefunden. Alles deutet darauf hin, daß .sie von ihren Zeitgenossen getötet worden sind. Seitdem unsere schon aufrecht gehenden, aber an- sonsten noch affenähnlichen Urahnen vor etwa vier Millionen Jahren gelernt hatten, primitive Steinwerkzeuge herzustellen, scheinen sie diese ziemlich oft dazu benutzt zu haben, anderen Zweibeinern den Schädel einzuschlagen. Somit waren unsere Vor- fahren wahrscheinlich außergewöhnlich aggressive Lebewesen, die anders als die meisten Tiere keine instinktive Hemmung gegen das Töten von Artgenossen kannten. Vielleicht wurde nicht wenigen von ihnen ihre eigene Sterblichkeit zum erstenmal bewußt, als sie den Leichnam eines erschlagenen Feindes betrachteten und darüber nachgrübelten, was wohl ge- schehen wäre, wenn der Faustkeil des Gegners ihren eigenen Schä- del gespalten hätte. Nach dieser Überlegung haben sie eventuell auch begriffen, daß Töten etwas Schlechtes ist. So könnten die Vertreibung aus dem Paradies eines scheinbar ewigen Lebens und die erste Erkenntnis über den Unterschied zwischen Gut und Böse für unsere Urahnen gleichzeitig gekommen sein. Man sollte nun allerdings nicht denken, wir hätten von unseren af= fenähnlichen Vorfahren nur negative Eigenschaften (z.B. eine übermäßige Aggressivität) geerbt. Auch unsere im allgemeinen vorhandene Hilfsbereitschaft gegenüber anderen geht wahrschein- 166 lich auf unsere tierischen Ahnen zurück, denn die meisten Affen- arten zeigen ebenfalls ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Außer- dem ermöglichen es uns unsere Intelligenz und unsere Fähigkeit zu moralischen Urteilen, unsere aggressiven Triebe sehr gut unter Kontrolle zu halten. Das zeigt sich daran, daß die Menschen inner- halb eines Staates, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in der Re- gel friedlich zusammenleben. Ihre aggressiven Instinkte können nur dann eine verhängnisvolle Wirkung entfalten, wenn es einem Politiker, der nach Macht oder unsterblichem Ruhm strebt, ge- lingt, die Massen davon zu überzeugen, daß die Vernichtung ande- rer Parteien oder anderer Nationen etwas Gutes sei. 11.2 Das Bewußtsein als Fehlgriff der Natur Trotzdem haben Überlegungen, ähnlich den vorangegangenen, einige Philosophen der neueren Zeit dazu veranlaßt, unser Be- wußtsein und unsere Fähigkeit zur Erkenntnis als einen bösen Streich der Natur zu betrachten. So beschrieb Arthur Schopen- hauer das angeborene Verhängnis unserer Existenz mit der von ihm immer erneut wiederholten und begründeten Formel, daß "als Zweck unseres Daseins. . . nichts anderes anzugeben (sei) als die Erkenntnis, daß wir besser nicht da wären"(1). Er wird damit zum wichtigsten Kronzeugen der Geschichtsphilosophie, die der Münsteraner Philosoph Ulrich Horstmann von dieser Position ausgehend entwickelt und 1983 veröffentlicht hat. Horstmann interpretiert die ganze menschliche Historie als eine einzige Kette ständig sich wiederholender Versuche des Menschen- geschlechts, die eigene Existenz wieder zurückzunehmen. Das sehr häufige kriegerische Massenmorden sei allein zu verstehen als Ausdruck der tiefen menschlichen Sehnsucht nach Selbstaus- löschung. "Alle bisherigen Kriege hätten dem - infolge unzu- länglicher Mittel bisher vergeblich gebliebenen - Versuch gegol- ten, diesen Wunsch endlich in Erfüllung gehen zu lassen. Wir Heutigen erst genössen das Privileg, das wahre Ziel aller Geschich- te endlich konkret vor Augen haben zu können: die Aufhebung der eigenen Existenz." (2) 167 Angesichts dieses Ziels kann nach Ulrich Horstmanns Ansicht als Fortschritt allein die Perfektionierung der Waffensysteme gelten. "Wenn das Untier (gemeint ist der Mensch) auch nur den gering- sten Grund zum Stolz hätte, dann knüpfte er sich nicht an die Aufbauleistungen von Zivilisationen, sondern an den sprühenden Erfindungsreichtum bei der Entwicklung von Mitteln und Wegen zu ihrer nachhaltigen Beseitigung." "Umgeben von den wohlge- füllten, wohlgewarteten Arsenalen der Endlösung, im begründe- ten Vertrauen auf die angesparten Overkill-Kapazitäten und die schon in Greifweite liegenden Technologien zur Pasteurisierung der gesamten ßiosphäre*, ausgestattet mit den Erfahrungen des Ersten und Zweiten Vorbereitungskrieges", sollten wir uns als Be- vorzugte betrachten und frei von Hochmut frühere Denker nach- sichtig kritisieren, die, wie Arthur Schopenhauer, bei aller Brillanz die Aufgabe lediglich hätten definieren können, ohne über die g- eigneten Mittel zu ihrer Bewältigung schon zu verfügen (3). Wir Heutigen jedoch "haben zu guter Letzt erkannt, daß wir selbst der auserwählten Generation angehören, die die apokalypti- schen Visionen des Mythos in die Wirklichkeit übersetzen wird und damit die uralte Sehnsucht der Gattung, nicht mehr sein zu müssen, in Erfüllung gehen läßt". "Trost spendet jetzt die Nähe des Unheils, die Gewißheit, daß die Äonen des Ausharrens, der Vorbereitung, der rastlosen Vervollkommnung sich neigen und der Lohn ansteht: das Ausleiden, das Ausgelittenhaben. Der wah- re Garten Eden - das ist die Öde. Das Ziel der Geschichte - das ist das verwitternde Ruinenfeld. Der Sinn - das ist der durch die Augenhöhlen unter das Schädeldach geblasene rieselnde Sand." Die Horstmannsche Geschichtsphilosophie schließt mit dem Auf- ruf: "Ermannen wir uns! ... Vermonden wir unseren stoffwech- selsiechen Planeten! Denn nicht bevor sich die Sichel des Traban- ten hienieden in tausend Kraterseen spiegelt, nicht bevor Vor- und Nachbild, Mond und Welt, ununterscheidbar geworden sind und Quarzkristalle über den Abgrund einander zublinzeln im Sternen- licht, nicht bevor die letzte Oase verödet, der letzte Seufzer ver- klungen, der letzte Keim verdorrt ist, wird wieder Eden sein auf Erden." (4) * Horstmann meint hier die Kernwaffenarsenale der Supermächte, die zur mehr- fachen Vernichtung des Gegners (Overkill) und eventuell sogar zur Auslöschung allen Lebens auf der Erde (Pasteurisierung der Biosphäre) ausreichen würden. 168 Man könnte diese Sätze als eine Warnung vor den Folgen eines globalen Atomkriegs interpretieren. Ährilich wie Ulrich Horst- mann hat sich jedoch auch Arthur Schopenhauer schon im 19. Jahrhundert geäußert, als es noch gar keine Atomwaffen gab: "Wenn man. . . die Summe von Noth, Schmerz und Leiden jeder Art sich vorstellt, welche die Sonne in ihrem Laufe bescheint; so wird man einräumen, daß es viel besser wäre, wenn sie auf der Erde so wenig, wie auf dem Monde, hätte das Phänomen des Le- bens hervorrufen können, sondern, wie auf diesem, so auch auf jener die Oberfläche sich noch im krystallinischen Zustande be- fände." (5) Die Philosophien Horstmanns und Schopenhauers mögen zwar vor dem Hintergrund des gegenwärtigen atomaren Wettrüstens ganz interessant sein. Die Annahme, daß diesem Rtistungswahn- sinn ein kollektives Streben nach Selbstvernichtung zugrunde liegt, ist jedoch vollkommen falsch. Wenn die Menschheit tatsäch- lich ihre eigene Existenz aufheben wollte, hätte sie niemals eine komplizierte Kriegsmaschinerie aufbauen müssen. Dieses Ziel ließe sich viel leichter erreichen. Die Frauen brauchten lediglich auf Kinder zu verzichten. Das würde ihr Dasein bequemer machen, denn unsere Art scheint auf der Erde die einzige zu sein, bei der das Gebären von Nachkommen mit erheblichen Beschwer- den verbunden ist. Auch dafür gibt schon die Bibel eine Erklä- rung. Gott sagte zu Eva: "Du sollst mit Schmerzen gebären", um sie für den Genuß der Frucht vom Baum der Erkenntnis zu stra- fen. Tatsächlich ist das Gebären von Menschenkindern vor allem deshalb schmerzhaft, weil ihre Köpfe verhältnismäßig groß sind. Auch hier zeigt sich also eine Verbindung zwischen der biblischen Legende vom Sündenfall und der Höherentwicklung der Gehirne unserer Vorfahren, die ihre Schädel größer werden ließ und es ih- nen gestattete zu erkennen, daß der Tod ihr Schicksal sein würde. Wenn die Frauen nun trotz aller Schmerzen weiterhin Kinder zur Welt bringen, so deutet das darauf hin, daß unsere Art einen sehr starken Lebenswillen besitzt und keineswegs danach strebt, sich selbst auszulöschen, wie es Ulrich Horstmann behauptet. Auch der Mißbrauch unserer technischen Fähigkeiten zu kriegeri- schen Zwecken ist kein Grund, anzunehmen, daß in uns ein ver- borgener Todestrieb wirksam ist. Das fortgesetzte Wettrüsten ist vielmehr ein Ergebnis unserer aggressiven Veranlagung und der Erfahrungen aus unserer Geschichte, in der militärisch unterlege- 169 ne Kulturen häufig ausgelöscht wurden. So erscheint es ganz lo- gisch, wenn viele Politiker meinen, nur eine starke Armee könne ihre Nation vor der Unterwerfung und vor der Vernichtung schüt- zen. Trotzdem kann man davon ausgehen, daß es niemals zu einem globalen Atomkrieg kommen wird und daß die Tradition der Ge- walt früher oder später ein Ende haben wird, denn der moderne Mensch ist kein Sklave jener aggressiven Instinkte, die er von sei- nen affenartigen Urahnen geerbt hat. Er kann im allgemeinen zwi- schen Gut und ßöse unterscheiden und in kleinen und großen Ge- meinschaften friedlich mit anderen zusammenleben. Er kann sich sogar mit seinen Feinden versöhnen. Das ist in der Vergangenheit vor allem dann gelungen, wenn gemeinsame Interessen auf dem Spiel standen. ßcispielsweise beendeten die Stämme am Unterlauf des Nil vor mehr aIs 6000 Jahren ihre Auseinandersetzungen, als sie erkannten, daß Maßnahmen zur Regulierung der Hochwasser des Flusses und zur Bewässerung der Felder ein gemeinsames Handeln erforderten. So entstand in Ägypten die erste Hochkul- tur der Geschichte. Die kommende Zeit wird voraussichtlich die Gri.indung einer neuen Zivilisation bringen, die die gesamte Menschheit umfassen wird, denn helite gibt es zahlreiche Proble- me, die nur durch ein gemeinsames Handeln aller Völker gelöst werden können. So sind z.B. in Fragen des Umweltschutzes inter- nationale Vereinbarungen auf längere Sicht unumgänglich, weil chemische und radioaktive Gifte durch Winde und Meeresströ- mungen über den ganzen Erdball verteilt werden und nationale Umweltschutzmaßnahmen deshalb nicht voll wirksam werden können. Auch die großen Ziele der Zukunft, die Unsterblichkeit und die Kolonisierung des Weltalls, lassen sich rascher verwirkli- chen, wenn die Wissenschaftler aller Länder zusammenarbeiten. Die Suche nach der Unsterblichkeit ist wahrscheinlich mehr als je- des andere Vorhaben geeignet, das Menschengeschlecht zu einen, denn sie scheint zu den tiefsten Wünschen der menschlichen Seele zu gehören. Die Menschen waren niemals bereit, sich mit dem Tod abzufinden. Schon seit der fernsten Urzeit hofften sie auf ein Weiterleben nach dem Tode und auf die Unsterblichkeit. Dabei würden die meisten wohl ein unbegrenztes Leben in dieser Welt vorziehen, denn für das Vorhandensein einer jenseitigen gibt es keine Beweise. 170 11.3 Das glückliche Zeitalter Wenn es einen tragischen Aspekt in unserer Existenz gibt, der uns dazu veranlassen könnte, unser Bewußtsein als einen Fehlgriff der Evolution zu betrachten, so liegt er offensichtlich vor allem darin, daß die Natur uns gestattet hat, den Tod zu begreifen, ohne ihn gleichzeitig von uns zu nehmen. Dadurch haben wir wahrschein- lich jenen Zustand der inneren Harmonie, der Ruhe und des Glücks verloren, den unsere Vorfahren besessen haben könnten, als sie vom Tod noch nichts wußten. Heute erinnern uns daran vielleicht noch die überlieferten Vorstellungen vom Paradies. Wie in den früheren Kapiteln erläutert, haben wir jedoch Möglichkei- ten, den Tod mit Hilfe unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse zu überwinden. Sobald die Menschen die Unsterblichkeit erreicht ha- ben, werden sie wohl zu neuen Formen des seelischen Gleichge- wichts und des unbeschwerten Glücks gelangen, weil sie dann von ihrer größten Angst, der Angst vor dem Ende, befreit sind. So wird die Zukunft nicht nur ein goldenes, sondern auch ein glückli- ches Zeitalter bringen. 171 l2. Die Möglichkeit einer Hilfe aus dem Weltall Man kann davon ausgehen, daß dieses glückliche Zeitalter irgend- wann kommen wird, da für die Zukunft ständige Fortschritte in Wissenschaft und Technik zu erwarten sind und diese es früher oder später ermöglichen werden, Verfahren zur Seelenaufzeich- nung und -übertragung und zur Wiedererweckung der Zeitreisen- den zu entwickeln. Bis dahin könnte es allerdings noch längere Zeit dauern, weil dabei viele schwierige Probleme zu überwinden sind. Der Traum vom unbegrenzten Leben könnte aber auch viel schneller verwirklicht werden, als wir uns das heute vorstellen. So ist nicht auszuschließen, daß uns in der Zukunft intelligente We- sen von anderen Sternen dabei helfen, denn im Weltall existieren vielleicht Zivilisationen, die der unseren weit überlegen sind. 12.1 Überlegene Zivilisationen in anderen Sonnensystemen Bereits im 4. Jahrhundert vor Christus schrieb der griechische Philosoph Metrodoros von Chios: "Die Erde als die einzige bevöl- kerte Welt im unendlichen All anzusehen, ist ebenso absurd wie die Behauptung, auf einem ganzen, mit Hirse gesäten Feld würde nur ein einziges Korn wachsen."(1) Mit diesem Gedanken war Me- trodoros seiner Zeit weit voraus. Noch viele Jahrhunderte sollten die lVlenschen glauben, die Erde sei eine Scheibe; unter ihr befän- de sich die Hölle und über ihr der Himmel mit den Göttern. Erst die moderne Naturwissenschaft lehrt uns, daß die Vorstellung des Metrodoros, es müsse noch andere bevölkerte Welten geben, durchaus richtig sein könnte. Im Universum gibt es nämlich un- übersehbar viele Sonnen ähnlich der unseren. Ein Teil von ihnen besitzt wahrscheinlich Planeten. Warum also sollte ausgerechnet 172 unsere Erde als ein Himmelskörper unter vielen der einzige be- wohnte Planet sein? Im Weltall existieren innerhalb der Grenzen unserer Beobachtbar- keit mehr als 1 Milliarde Galaxien (2). Die Milchstraße, zu der unse- re Sonne gehört, ist nur eine davon. Sie ist eine scheibenförmige Ansammlung aus etwa 100 Milliarden Sternen und erscheint uns als leuchtendes Band am nächtlichen Himmel. Allein in ihr gibt es nach Schätzungen von Astronomen Millionen von Fixsternen, vergleichbar unserer Sonne, mit erdähnlichen Pla- neten, auf denen sich mehrere Milliarden Jahre lang organisches Leben entwickelt haben könnte (3). Die Wahrscheinlichkeit dafür, , daß auf solchen Himmelskörpern auch tatsächlich Leben entsteht, ist noch nicht bekannt. Jedoch gibt es keinen Grund für die An- nahme, daß auf der Erde einmalige Umstände das Leben hervor- gebracht haben. Wenn sich nur auf jedem tausendsten Planeten mit dafür geeigneten Bedingungen Leben entwickelt, gibt es in der Milchstraße vermutlich immerhin noch etwa 1000 belebte Welten, von denen viele genauso alt wie unsere oder noch älter sind. Ebenso wie auf der Erde könnten sich auf einem erheblichen Teil von ihnen aus primitiven Urformen durch die natürliche Evolu- tion intelligente Wesen entwickelt haben. Ein leistungsfähiges Ge- hirn ist nämlich ein wirksames Instrument für das Überleben und für eine optimale Anpassung an wechselnde Umweltbedingungen. Es ist anzunehmen, daß die meisten intelligenten Arten früher oder später eine technische Zivilisation aufbauen, weil sie sich nur so gegen die Naturgewalten und gegen Krankheiten schützen..kön- nen. Solche oder ähnliche Bedrohungen gibt es auch in fremden Planetensystemen, da überall im Universum dieselben Naturgeset- ze gelten. Deshalb besteht auch für außerirdische Kulturen die Gefahr einer Vernichtung durch eine ihre gesamte Welt verwüstende Naturka- tastrophe, einen Atomkrieg, Umweltvergiftung oder andere Be- drohungen. So etwas dürfte allerdings nicht häufig vorkommen, weil das einen selten unglücklichen Zufall oder ein wahnsinniges Verhalten der Verantwortlichen voraussetzt. Ebenso unwahr- scheinlich ist ein freiwilliger Verzicht der Außerirdischen auf die Technik, da sie dann zuviel aufgeben müßten und wieder hilflos Naturgewalten und Krankheiten ausgeliefert wären. Vielmehr werden die meisten Zivilisationen im Laufe der Zeit immer mehr Wissen ansammeln, weil stets Probleme vorhanden sind, die noch 173 nicht gelöst sind. Außerdem verfügen die Außerirdischen vermut- lich, ebenso wie die Menschen und die höheren Tiere auf der Erde, über eine gewisse Neugier. So haben einige Kulturen im Weltall wahrscheinlich erheblich mehr Kenntnisse als wir, weil sie schon vor vielen Millionen Jah- ren mit der systematischen Erforschung der Naturgesetze begon- nen haben, während wir uns erst seit etwa 500 Jahren damit befas- sen. Die Entwicklung intelligenten Lebens aus den primitiven Ur- formen braucht nämlich nicht überall wie auf der Erde etwa vier Milliarden Jahre gedauert zu haben. Vielmehr wird sie auf einigen Planeten langsamer und auf anderen schneller erfolgt sein. Außer- dem gibt es in der Milchstraße auch erheblich ältere Sonnen als die unsere, auf deren Planeten intelligentes Leben schon vor langer Zeit entstanden sein könnte. Somit könnten in unserer Galaxis technische Zivilisationen existieren, die schon viele Millionen Jahre alt und der unseren weit überlegen sind. 12.2 Die Überwindung der Entfernung Überlegungen ähnlich den bisher dargestellten haben amerikani- sche Wissenschaftler dazu veranlaßt, den Himmel mit riesigen Ra- dioteleskopen nach Botschaften abzusuchen, die von außerirdi- schen Kulturen in fremden Sonnensystemen ausgestrahlt wurden. Entsprechende Experimente sollen auch in der Sowjetunion durchgeführt werden (1). Bei solchen Versuchen kann man aller- dings nicht damit rechnen, sofort irgendwelche Nachrichten zu empfangen, weil die in Frage kommenden Sterne nacheinander angepeilt werden müssen. Außerdem wissen wir nicht, wann die dort möglicherwese existierenden Zivilisationen in unsere Rich- tung senden und ob sie es überhaupt tun. Ein Kontakt zu extraterrestrischen (außerirdischen) intelligenten Lebewesen (kurz: ETI) könnte jedoch auch auf andere Weise zu- stande korrimen als auf dem Wege der Radioastronomie. So ist es denkbar; daß technische Zivilisationen, die der unseren weit über- legen sind, Raumschiffe zu anderen Sternen und vielleicht auch in unser Sonnensystem entsenden. Es ist nämlich unwahrscheinlich, daß sich solche Kulturen für immer mit der Erforschung und Be- 174 siedelung ihres eigenen Planetensystems begnügen. Schon aus Neugier werden sie wohl versuchen, interstellare Reisen, d.h. Raumflüge zu anderen Sternen, zu unternehmen. Wenn ihnen das gelingt, gründen sie vermutlich in fremden Sonnensystemen Kolo- nien, weil sie dort neue Erkenntnisse und neuen Lebensraum ge- winnen können. Auf der Suche danach werden wohl auch die Ko- lonien Raumschiffe entsenden und ihrerseits Kolonien bei anderen Sternen aufbauen. So breitet sich eine hochentwickelte technische Zivilisation im Laufe der Zeit immer weiter über die Galaxis aus. Bei interstellaren Raumflügen müssen allerdings ungeheure Ent- fernungen zurückgelegt werden. Die Abstände zwischen den Ster- nen betragen nämlich meistens mehrere Lichtjahre. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Nach unse- ren bisherigen Kenntnissen über das Universum gibt es nichts Schnelleres als das Licht. Jedoch ist nach den physikalischen Gesetzen eine Fortbewegung mit annähernder Lichtgeschwindig- keit möglich. Beim Bau eines Raumschiffs, welches auch nur ein Zehntel dieser Geschwindigkeit erreicht, sind allerdings gewaltige technische Probleme zu überwinden. So ist ein sehr energiereicher Brennstoff erforderlich, um es auf die hohe Geschwindigkeit zu beschleuni- gen und vor der Ankunft wieder abzubremsen. Eine weit fortge- schrittene Technik könnte ihn aber wahrscheinlich mit Hilfe von Antimaterie erzeugen, da beim Zusammentreffen von Materie und Antimaterie die Stoffe vollständig in Energie umgewandelt werden. Eine weitere große Schwierigkeit besteht darin, das Raumschiff vor Schäden zu bewahren. Zwar ist der Weltraum zum größten Teil praktisch leer, aber dann und wann kommen doch Atome und Moleküle, ja sogar winzige Staubteilchen vor (2). Diese werden hart mit dem Raumschiff zusammenprallen, weil es sehr schnell fliegt. Vielleicht lassen sich Schäden aber dadurch vermeiden, daß die Materie, z.B. mit Hilfe von elektromagnetischen Feldern, nach ei- ner Seite abgelenkt wird. Eine Zivilisation, die uns um Millionen Jahre voraus ist, wird sicherlich noch viele weitere, für uns heute noch nicht vorstellbare Lösungswege finden. Interstellare Reisen sind übrigens auch mit Raketen möglich, die nur mit einem Hundertstel der Lichtgeschwindigkeit oder sogar noch langsamer fliegen und deren Bau nicht mehr so schwierige Probleme aufwirft (3). Somit kann man davon ausgehen, daß eine 175 hochentwickelte technische Zivilisation über interstellare Raum- schiffe verfügt. Die Außerirdischen brauchen zur Besiedelung oder zur Erfor- schung einer neuen Welt nur ein kleines unbemanntes Raumschiff zu schicken, das einige hochentwickelte und besonders wider- standsfähige Roboter transportiert. Diese bauen aus den Rohstof- fen im neuen Planetensystem große Maschinen, die dort neue Pla- neten oder Raumstationen mit angenehmen Lebensbedingungen für die ETI erschaffen. Gleichzeitig errichten sie Anlagen zur Er- schaffung von neuen Körpern für die ETI und um ihre vom Heimatplaneten gesendete Seeleninformation in diese zu übertra- gen. Zwar dürften die Außerirdischen von uns sehr verschieden sein. Da aber sogar die Sonne, die Fixsterne und die Planeten nur end- lich viele Atome enthalten, bestehen auch die Körper und die Ge- hirne der ETI nur aus endlich vielen Atomen. Deshalb sind sie wahrscheinlich mit ihrer weit überlegenen Technik imstande, alle wesentlichen Informationen darüber aufzuzeichnen und diese See- leninformation in einen neu erschaffenen Körper zu übertragen, um darin weiterzuleben. Da man jede Art von Information z.B. mit gebündelten Radiowellen zu einem anderen Stern senden kann, können die ETI dies auch mit ihrer Seeleninformation tun. Das dürfte auch über sehr weite Entfernungen möglich sein, weil die ETI über leistungsfähige Sendeanlagen und hochempfindliche Empfangseinrichtungen verfügen werden. Nach Auffassung von Astronomen ist schon mit Radioteleskopen, wie wir sie heute bauen können, ein Nachrichtenaustausch zwischen Stationen in verschiedenen Sonnensystemen möglich. Amerikanische Astrono- men glauben sogar, daß eine Botschaft, die sie zum 24.000 Licht- jahre entfernten Kugelsternhaufen M 13 gesendet haben, dort von einer technischen Zivilisation empfangen und beantwortet werden kann (4). Die Seelenaufzeichnung und -übertragung machen Reisen zu an- deren Sternen sehr angenehm. Die Astronauten lassen in ihrer Heimat ihre Seeleninformation aufzeichnen. Sie wachen dann in einer neuen Welt wieder auf, in der die mit dem Raumschiff ange- kommenen Roboter alles Gewünschte vorbereitet haben. Von der langen und eintönigen Reise merken sie nichts. Kopien der Seelen- information der Astronauten werden in der Heimat aufbewahrt, damit sie im Fall von technischen Pannen nicht verlorengeht. Bei 176 Ausbleiben der Meldung von der erfolgreichen Ankunft wird die Seeleninformation in der Heimat der Raumfahrer wieder in einen neuen Körper übertragen. So leben sie dort weiter und können in ihrem unbegrenzten Leben beliebig viele weitere Versuche unter- nehmen. Die ETI könnten in etwas mehr als 1.000.000 Jahren überall in der Milchstraße Beobachtungsstationen errichten; wenn sie über Raumschiffe verfügen, die mit einem Zehntel der Lichtgeschwin- digkeit fliegen. Etwa 100.000 Lichtjahre groß ist nämlich der Durchmesser der Milchstraße, wenn man die dunkle Materie an ihrem Rand nicht berücksichtigt. Eine vor vielen Millionen Jahren entstandene technische Zivilisation wäre auch dann inzwischen in unseren Teil der Milchstraße gelangt, wenn ihre Raketen langsa- mer sind oder sie sich nur allmählich über die Galaxis ausbreitet. Somit ist es durchaus möglich, daß es nicht weit von uns eine ße- obachtungsstation von ETI gibt, die mit ihren weit überlegenen Fähigkeiten für uns in kurzer Zeit Verfahren zur Erreichung der Unsterblichkeit und zur Wiedererweckung der Zeitreisenden ent- wickeln könnten. Zwar werden die Außerirdischen nicht bei allen der 100 Milliarden Fixsterne der Milchstraße Kolonien unterhal- ten. Mit ihren empfindlichen Instrumenten haben sie aber viel- leicht auch aus einiger Entfernung festgestellt, daß die Sonne ei- nen Planeten hat, auf dem Leben entstanden sein könnte. Nach dieser Entdeckung haben sie wahrscheinlich ein Raumschiff ge- schickt. Bei ihren ungeheuren materiellen Mitteln bedeutet das nur einen geringen Aufwand, der sich lohnt, weil die Erforschung einer fremden belebten Welt neue Erkenntnisse verspricht. Jede Lebensform dürfte nämlich im gesamten Universum einma- lig sein. Schließlich gibt es allein auf unserem Planeten ungeheuer viele Pflanzen- und Tierarten, obwohl bei allen die genetische Erbinformation in gleicher Weise durch DNS-Moleküle verschlüs- selt ist. Leben auf fremden Himmelskörpern könnte aLif ganz an- deren chemischen Grundlagen beruhen und sich deshalb von allem uns bekannten gewaltig unterscheiden. Somit bringt die Beobach- tung des Lebens auf der Erde vermutlich sogar für die sehr klugen ETI noch neue Erkenntnisse. Das ist für sie viel interessanter als die Besiedelung unseres blauen Planeten, weil sie mit ihren gewal- tigen technischen Mitteln auch in einem unbewohnten Planetensy- stem neue, ihrer Heimat ähnliche Himmelskörper schaffen kön- nen. 177 Eine in unserer Nähe befindliche Beobachtungsstation werden die ETI wahrscheinlich so lange betreiberl, wie das Sonnensystem exi- stiert. Dazu brauchen sie nämlich ebenso wie für einen kurzzeiti- gen Besuch nur ein einziges unbemanntes Raumschiff zu schicken. Die von ihm transportierten hochentwickelten Roboter bauen die Beobachtungsstation auf und halten sie instand. Sie stellen auch neue Roboter her, die durch Defekte ausgefallene ersetzen. Die dafür erforderliche Materie und Energie finden sie im Sonnen- system. Sie senden die Meßergebnisse zur nächsten dauernd be- wohnten Kolonie der ETI und erhalten von dort ihre Befehle. Die Außerirdischen können unser Planetensystem auch selbst be- suchen, wenn sie wollen. Die Anlagen zur Erschaffung von neuen Körpern für sie und zur Übertragung ihrer Seeleninformation in diese werden ebenfalls von den Robotern ständig instand gehal- ten. Dasselbe gilt für eine Raumstation mit angenehmen Lebens- bedingungen für die ETI. Wenn ihre nächste Kolonie z.B. 50 Lichtjahre entfernt ist, gelangen Nachrichten von der Erde in 50 Jahren dorthin. Ebenso schnell können die ETI hierherkommen, weil auch ihre Seeleninformation mit Lichtgeschwindigkeit gesen- det wird. Die Tatsache, daß wir keinen Kontakt mit irgendwelchen intelli- genten Wesen aus dem Weltall haben, spricht nicht gegen die Exi- stenz einer von ihnen betriebenen Beobachtungsstation in unse- rem Sonnensystem. Es könnte nämlich sein, daß sie uns nur auf- merksam betrachten, sich uns aber nicht zu erkennen geben. Mit ihrer weit fortgeschrittenen Technik dürften sie in der Lage sein, ihre Einrichtungen so zu verstecken, daß wir sie mit unseren Tele- skopen und Raumsonden nicht entdecken können. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die ETI bereit sind, uns später bei der Entwicklung von Techniken zur Erreichung der Unsterblichkeit zu helfen. Obwohl ihr Leben auf anderen biochemischen Grundlagen beru- hen und ihre Gestalt eine völlig andere sein könnte, haben sie viel- leicht doch einige Gemeinsamkeiten mit uns. Zum Beispiel könnte die Natur ihnen ebenso wie uns einen starken Lebenswillen gege- ben haben, weil er im Kampf ums Dasein nützlich ist. Wahr- scheinlich hat sie auch den Außerirdischen die Unsterblichkeit nicht gleich in die Wiege gelegt. Schließlich gibt es auf der Erde kein höheres Tier, das ewig lebt. Somit existieren violleicht in der Milchstraße Zivilisationen, die uns um Millionen Jahre voraus 178 sind und schon vor langer Zeit einen Weg zur Unsterblichkeit ge- sucht und gefunden haben. Möglicherweise begannen auch sie mit irgendeiner Form der Zeit- reise. Selbst wenn die ETI von uns sehr verschieden sind, ist es z.B. denkbar, daß sie ihre Körper oder ihre Gehirne durch eine Lagerung bei extrem tiefen Temperaturen so lange erhalten haben, bis sie durch eine höher entwickelte Wisse.nschaft wiedererweckt werden konnten. Auf fremden Planeten gibt es nämlich ebenso wie auf der Erde bei extrem tiefen Temperaturen keine chemi- schen Reaktionen und Zerfallsvorgänge mehr, da überall im Uni- versum dieselben Naturgesetze gelten. Die Außerirdischen könn- ten eine spätere Wiedererweckung auch dadurch erreicht haben, daß sie ihre Gedanken, Erfahrungen und Erinnerungen notierten und später nach entsprechenden Fortschritten der Wissenschaft in einen neu erschaffenen Körper übertragen ließen. Die dafür erfor- derliche Fähigkeit zur Speicherung von Informationen über sich selbst außerhalb des eigenen Körpers ist von der Gestalt und der Biochemie eines Lebewesens unabhängig, so daß diese Methode zur Verwirklichung der Zeitreise auch für ganz fremdartige intelli- gente Geschöpfe in Frage kommt. So leben in außerirdischen Zivilisationen vielleicht noch viele, die lange vor der Entwicklung von Techniken zur Erreichung der Un- sterblichkeit geboren wurden, die Angst vor dem Tod noch selbst erlebt und sich nur durch eine Zeitreise davor gerettet haben. An- dere wissen davon aus Erzählungen und Legenden. Desh.alb ist die Hoffnung berechtigt, daß sie Mitleid für uns empfinden. Wir brauchen nicht zu befürchten, daß sie uns so betrachten, wie wir es mit Plattwürmern in einem Reagenzglas tun. Mit ihrer fort- geschrittenen Technologie sind sie schon seit langem in der Lage, ihre geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen und dabei ihre Erinne- rungen zu bewahren. So erkennen sie in uns und unserer Angst vor dem Tod einen Teil ihrer eigenen Vergangenheit wieder. Auch wenn das nicht so sein sollte und die ETI mit uns fast überhaupt nichts gemeinsam haben, sind sie vielleicht bereit, uns bei der Su- che nach der Unsterblichkeit zu unterstützen. Selbst dann dürften sie nämlich aufgrund ihrer umfassenden Kenntnisse über die ver- schiedensten Lebensformen im Universum begreifen, daß für viele Menschen der Tod etwas unfaßbar Schreckliches ist. Im Moment ist jedoch keine Hilfe aus dem Weltall zu erwarten. Wenn außerirdische Intelligenzen eine Beobachtungsstation im 179 Sonnensystem besitzen, können sie nämlich feststellen, daß ein großer Teil der wissenschaftlichen Forschungen auf der Erde mili- tärischen Zwecken dient und daß ein Menschenleben hier nicht viel gilt. Das sehen sie daran, daß jedes Jahr Millionen von Men- schen in Kriegen sterben oder verhungern, während andere in ver- schwenderischem Reichtum leben. Die Außerirdischen müssen be- fürchten, daß die Menschen Zivilisationen in anderen Sonnensy- stemen angreifen, wenn sie ihnen hochentwickelte Techniken, z.B zur Erreichung der Unsterblichkeit zur Verfügung stellen. Die dafür erforderlichen genauen Kenntnisse des Gehirns und der Biochemie würden es den Erdbewohnern vielleicht bald erlauben, ihre geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Dann könnten sie in- nerhalb kurzer Zeit interstellare Raumschiffe und Waffen bauen, die intelligente Wesen auf fremden Planeten bedrohen. Schließlich wird es in der Milchstraße nicht nur Superzivilisationen geben, die uns um Millionen Jahre voraus sind, sondern auch solche, die uns an technischem Wissen unterlegen sind. Für sie wären aggressive Staaten auf der Erde mit hochentwickelten Waffen eine tödliche Gefahr. Aufgrund ihrer umfassenden Kenntnisse über die Psychologie in- telligenter Lebewesen dürften die ETI zwar wissen, daß die meisten Menschen den Frieden wünschen und den Tod fürchten. Sie wären auch in der Lage, die für die gegenwärtigen Verhältnisse verantwortlichen Machthaber zu stürzen und die Menschheit selbst in eine friedliche Gesellschaft und auf den Weg zur Unsterb- lichkeit zu führen. Dann würden ihnen jedoch viele Gruppen in- terstellaren Kolonialismus vorwerfen und so einige Völker gegen die Fremden aufwiegeln. Auch bei heimlichem Eingreifen in unse- re Gesellschaft müssen die ETI mit ähnlichen Reaktionen rech- nen, weil wir Menschen das später entdecken könnten. Aus diesen Gründen haben die Außerirdischen vielleicht entschie- den, uns ihre Unterstützung erst dann anzubieten, wenn wir eine friedliche Gesellschaft erschaffen und begriffen haben, daß jedes intelligente, seiner Existenz bewußte Leben unendlich kostbar ist. Dann würden die Menschen andere Kulturen in der Galaxis auch dann nicht bedrohen, wenn sie über interstellare Raumschiffe ver- fügten. Vielmehr würden sie die Zusammenarbeit der hochentwik- kelten Zivilisationen im Weltall mit ihren wohl im gesamten Uni- versum einmaligen Erfahrungen bereichern. Die ETI wollen viel- leicht, daß wir uns völlig unbeeinflußt für eine friedliche und zur 180 Annahme fremder Hilfe bereite Gesellschaft entscheiden und ge- ben uns deshalb keinen Hinweis auf ihre Existenz. Möglicherweise gibt es unter den weit fortgeschrittenen Zivilisationen in der Gala- xis sogar eine Vereinbarung, sich entwickelnde Kulturen solange sich selbst zu überlassen, bis sie die notwendige Reife zur Zusam- menarbeit mit anderen besitzen. Ob es wirklich so ist und ob eine Beobachtungsstation von außer- irdischen Intelligenzen im Sonnensystem existiert, können wir heute noch nicht feststellen. Aber immerhin gibt es nach dem bis- her Gesagten viele Gründe, auf eine spätere Hilfe aus dem Weltall zu hoffen, die den Weg der Menschheit zur Unsterblichkeit be- schleunigen würde. Außerdem könnten wir von den ETI sehr viel über das Universum lernen. Wie in den früheren Kapiteln begrün- det, ist allerdings zu erwarten, daß die Menschen auch ohne eine Unterstützung von fremden intelligenten Wesen irgendwann Tech- niken entwickeln werden, mit denen sie die Unsterblichkeit errei- chen und die Zeitreisenden wiedererwecken können. 181 l3. Die Schätze der Zukunft Das Leben auf unserer Erde ist vor etwa vier Milliarden Jahren entstanden. Seitdem hat die biologische Evolution immer komple- xere und intelligentere Organismen hervorgebracht. Der bisherige Höhepunkt dieser Entwicklung ist der Mensch. Er hat eine neue Evolution in Gang gesetzt, die Evolution einer sich immer weiter verbessernden Technik. Diese neue Evolution ist erst einige Jahr- hunderte alt und steht noch am Anfang ihrer Entwicklung. Trotz- dem hat sie schon viele der alten Träume des Menschen verwirk- licht. In den vorangegangenen Kapiteln wurde gezeigt, daß uns die neue Evolution in späteren Jahrhunderten voraussichtlich ein un- begrenztes Leben und eine Kolonisierung des Weltalls ermögli- chen wird. Das sind verhältnismäßig naheliegende Möglichkeiten der Zu- kunft, für die wir bereits heute Wege zur Realisierung angeben können und die deshalb wahrscheinlich schon in den nächsten 1000 Jahren verwirklicht werden. Diese Vorhersage verliert nicht dadurch ihre Gültigkeit, daß einige Kritiker behaupten werden, die Unsterblichkeit oder die Gründung von Weltraumkolonien seien nichts weiter als Utopien. In fast allen Zeitaltern war die Mehrzahl der Menschen nämlich davon überzeugt, daß der gerade erreichte Entwicklungsstand der höchstmögliche sei und daß für die Zukunft ein Untergang der bekannten Welt drohe oder besten- falls alles so bleiben würde, wie es war. Stets dachte nur eine Min- derheit daran, daß es auch in den kommenden Jahrhunderten neue Entdeckungen und Erfindungen geben würde. Da mit ständi- gen Fortschritten in Wissenschaft und Technik zu rechnen ist, kann man davon ausgehen, daß es unseren Nachfahren früher oder später gelingen wird, die Unsterblichkeit zu erreichen, neuen Lebensraum im Weltall zu schaffen und Verfahren zur Erlangung weitaus höherer geistiger Fähigkeiten zu entwickeln. Sie werden wohl auch Kontakt zu außerirdischen Zivilisationen aufnehmen, falls solche in unserer Galaxis existieren. Das alles wird ihnen neue 182 Dimensionen des Denkens Lind Fühlens eröffnen, die jenseits der Grenzen unseres heutigen Vorstellungsvermögens liegen. Dann wird die Menschheit wahrscheinlich zu neuen Zielen aufbrechen, von denen wir noch gar nichts ahnen. Der große Astronom Sir James Jeans schrieb über die Zukunft: "Wir leben im allerersten Anfang der Zeit. . . Ein Tag von fast un- denkbarer Länge erstreckt sich vor uns mit unvorstellbaren Gele- genheiten zur Vervollkommnung. Unsere Nachkommen in fernen Zeitaltern, die auf diese lange zeitliche Perspektive zurückblicken, werden unser jetziges Zeitalter als den dunstigen Morgen der Menschheitsgeschichte ansehen. Unsere heutigen Zeitgenossen werden als ... heroische Gestalten erscheinen, die sich den Weg durch Dschungel von Unwissen, Irrtum und Aberglauben er- kämpften, um die Wahrheit zu entdecken."(1) Sir James Jeans gelangte zu diesen Aussagen vermutlich aufgrund einer astronomischen Erkenntnis: Unsere Sonn wird noch unge- fähr 5 Milliarden Jahre lang ruhig und gleichmäßig Licht und Wärme spenden und so ein Leben auf unserer Erde ermöglichen. Erst danach wird sie sich zu einem roten Riesenstern aufblähen und unseren Heimatplaneten verbrennen. Einige Zeit später wird sie zu einem weißen Zwerg degenerieren und langsam erkalten. Diese Katastrophen liegen jedoch in einer für unsere heutigen Be- griffe unvorstellbar fernen Zukunft. 5 Milliarden Jahre sind fast eine Million mal so lang wie unsere gesamte geschriebene Ge- schichte, welche von den alten Ägyptern bis zur Gegenwart etwas mehr als 5000 Jahre umfaßt. So wird unsere Zivilisation wahr- scheinlich schon lange vor dem Erlöschen unserer Sonne neue Le- bensräume bei anderen, jüngeren Sternen geschaffen haben, so daß die Menschheit auch nach dem Untergang unseres Planetensy- stems weiterexistieren kann. Was werden nun die kommenden Jahrmilliarden bringen? Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß der menschliche Geist ir- gendwann eine vollkommene Macht über die Materie gewinnen wird, wie sie die alten Völker nur ihren Göttern zugetraut haben. So wird der neuen Evolution ein göttliches ·Leben zu verdanken sein. Der indische Dichter und Philosoph Sri Aurobindo schrieb dazu in einem etwas anderen Zusammenhang: "Wenn die Menschheit nur eine Ahnung von den unendlichen Freuden, voll- kommenen Kräften, der Reichweite des spontanen Wissens, der großen Ruhe unseres Seins hätte, die für uns auf den Wegen be- 183 reitliegen, die unsere tierische Evolution* noch nicht erreicht hat, würde sie alles andere sein lassen und keine Ruhe geben, bis sie diese Schätze der Zukunft erworben hat."(2= Diese Worte des Dich- ters weisen uns auf die Möglichkeiten hin, die die Zukunft für uns bereithält. Das Wichtigste daran ist: Schon wir, die Menschen der Gegenwart, können die Schätze der Zukunft erlangen und das göttliche Leben gewinnen, wenn wir geeignete Vorkehrungen für eine Zeitreise treffen. * Als tierische Evolution bezeichnet Sri Aurobindo die biologische Evolution, der wir unser gegenwärtiges kurzes Dasein verdanken. 184